Ich verneige mich...

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mike nelson Avatar

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Diagnose: Motoneuronen-Krankheit. Wie seltsam es sich doch anfühlt, ein Buch mit den Erfahrungen eines Lebens zu lesen - von einem Autor, der weiß, dass er in absehbarer Zeit sterben wird. Eigentlich bin ich gefordert, mir selbst zu sagen 'ja, auch du wirst sternben'... ich erwische mich aber bei dem verharmlsenden Gedanken 'ist ja nur ein Buch'. Es ist, als wenn dieser Gedanke mir selbst helfen würde, diese unumstößliche Tatsache, diese einzige Gewissheit, die es in meinem Leben gibt, aus eben diesem auszublenden - dass nämlich auch mein Leben irgendwann enden wird. Und der Autor lässt mich teilhaben. Mit Trauer, einem Schuss Humor und einer ungeheuren Beobachtungsgabe: Wie die kleinen Dinge des Lebens mit einem mal wichtig, bzw. zu einer großen Herausforderung werden: "Oder ich sitze augf der Bettkante, nackt von der Taille abwärts, meine Hose und Unterwäsche um die Knöchel. Bis dahin habe ich es geschafft, aber mir fehlt die Kraft beides hochzuziehen. Gill läuft hektisch hin und her, und ich warte einfach. Es fällt mir leichter, als ich gedacht hätte, das Warten. Was soll ich sonst machen? In solchen Momenten wirkt der Raum still, und alles ist ruhig. Ich habe mein ganzes Leben darauf gewartet, so einen Frieden zu erkennen. Zu erkennen, dass ich nicht mehr bin als dieser Klörper."
Was machen die zunehmenden, krankheitsbedingten Einschränkungen, was machen diese unübersehbaren Anzeichen des näherrückenden Todes mit dem Konzept "Familie"? So schreibt Joe Hammond "Hinter jeder gewaschenen und adrett gekleideten körperbehinderten Person verbirgt sich das erhebliche und ungewürdigte Engagement eines anderen Menschen." Hammond beschreibt seine Trauer: "Dass wir gemeinsam weinen gehen könnten, vielleicht zu verschiedenen Orten auf der Welt, so wie wir gemeinsam spazieren gehen. Wir könnten endlich gemeinsam nach Japan weinen gehen oder uns zu den äußeren Hebriden schluchzen..." Der große Wunsch, als Partner und Vater für seine Familie da zu sein, selbst aber versorgt werden zu müssen; nicht mehr mit seinen Kindern ins Schwimmbad gehen zu können... Und wie der Autor auf Distanz geht zu dem war er erlebt: "Manchmal frage ich mich, ob ich vielleicht gar nicht mein eigenes Sterben erlebe, sondern irgendeine Form von medizinischer Prozedur."
Keine leichte Kost! Aber unbedingt lesenswert!!!