Zwischen Vergangenheit und Zukunft: Die Selbstfindung einer Frau

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"Es spielte keine Rolle, was für eine Frau diese Mutter war, was sie konnte und brauchte, was sie erlebt hatte, was sie wusste. Es war egal, was sie geleistet hatte und weiter leisten wollte. Ihr Körper gehörte ihr nach der Geburt ihres Kindes nicht mehr, genauso wie mein Körper mir vor zwanzig Jahren nicht mehr gehört hatte. Sie hatte ihn aufzugeben, ganz ihrem Kind zur Verfügung zu stellen, wie ich damals. Ich hatte geglaubt, das habe sich seither geändert, aber nichts hat sich geändert." - Buchzitat.

In Doris Knechts Roman "Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe" begleiten wir eine namenlose Protagonistin, eine Frau in ihren Fünfzigern, durch einen bedeutenden Lebensabschnitt. Der Auszug ihrer Kinder zwingt sie zu einem Neuanfang, nicht nur räumlich, sondern vor allem auch in der Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Identität. Die österreichische Autorin, bekannt für ihre Kolumnen und Romane, zeigt uns eine Frau, die sich in einem Wendepunkt ihres Lebens selbst sucht.

Doris Knecht, geboren 1966 in Rankweil, Österreich, ist eine renommierte Kolumnistin und Schriftstellerin. Nach einer erfolgreichen journalistischen Karriere begann sie 2011 mit dem Schreiben von Romanen und hat seither mit Werken wie "Gruber geht" und "Wald" überzeugt. In "Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe" entführt sie die Leser:innen in die Gedankenwelt einer Frau, die vor einer ungewissen Zukunft steht.

Die Protagonistin sieht sich mit dem Auszug ihrer Kinder konfrontiert und muss nicht nur emotional, sondern auch physisch Platz für einen neuen Lebensabschnitt schaffen. Während sie sich auf den Umzug vorbereitet, wird sie von Erinnerungen überflutet, die sie zum Nachdenken über ihre Vergangenheit, ihre Entscheidungen und ihre Zukunft zwingen. Der Roman nimmt uns mit auf eine Reise durch ihre Gedanken, Zweifel und Hoffnungen, während sie versucht, sich selbst zu verstehen.

"Früher stellten sich die Menschen das Gedächtnis als eine Flucht von Räumen vor, einen Palast, in dem Erinnerungen wie Schätze abgelegt und aufbewahrt werden, wie die Dinge in unserer Wohnung, die ich bald für immer hinausräumen und dann vielleicht vergessen werde." - Buchzitat.

Doris Knechts Roman ist mehr als eine Geschichte über den Auszug der Kinder und den damit verbundenen Veränderungen. Es ist eine tiefgründige Selbstreflexion einer Frau, die versucht, die Wahrheit über sich selbst zu ergründen. Der einfühlsame Schreibstil ermöglicht es den Lesern, sich in die Gedankenwelt der Protagonistin zu vertiefen und sich mit den Fragen nach Identität, Vergangenheit und Zukunft auseinanderzusetzen.

Die kurzen, prägnanten Kapitel erleichtern das Eintauchen in die Geschichte, wobei die Autorin geschickt zwischen Gegenwart und Vergangenheit wechselt. Die Erzählweise ist geprägt von Ehrlichkeit, Selbstironie und einem Hauch von Humor, der die ernsten Themen leichter zugänglich macht. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Loslassen und dem Neuanfang verleiht dem Roman eine emotionale Tiefe.

Die namenlose Hauptfigur wird durch die fehlende Distanz zu ihrer Familie und ihrem eigenen Namen greifbarer. Ihre Gedanken und Zweifel sind authentisch und berühren die Leser:innen. Die Vielschichtigkeit der Protagonistin und die subtile Kritik an traditionellen Frauenbildern verleihen dem Roman zusätzliche Tiefe.

Fazit:
"Doris Knechts "Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe" ist ein einfühlsamer Roman über Selbstfindung, Veränderung und die Suche nach Identität in einer entscheidenden Lebensphase. Die kluge Erzählweise, gepaart mit der Authentizität der Protagonistin, macht das Buch zu einer bereichernden Lektüre. Mit einem Hauch von Humor und einer Prise Melancholie gelingt es Knecht, das alltägliche Leben in eine poetische Reflexion zu verwandeln. 4 von 5 Sternen.