Fesselnde Reiseerzählung aus dem eisigen Jakutien

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longstocking Avatar

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Eine Gegend, die selbst die Aeroflot-Angestellten in Moskau nicht kennen: Menschenleer und unendlich weit erstreckt sich das nördliche Jakutien. Für den Autor sind es gerade diese Unbekanntheit, diese Einsamkeit und die Vorstellung, dass er auf Hunderte von Kilometern der einzige Mensch sein könnte, die den Reiz seiner Reise ausmachen. Seine Belohnung sind Übernachtungen unter freiem Himmel bei tiefsten Minustemperaturen, perfekte Polarlichter und grandiose Schneelandschaften.
Auf den Eisstraßen, die es nur im Winter gibt, gar auf dem gefrorenen Polarmeer mit einem Fahrrad unterwegs – das klingt verrückt und ist es teilweise auch. Die Zimniks oder Eisstraßen verlaufen nämlich größtenteils auf dem Eis zugefrorener Flüsse, das nicht überall gleich stark ist. So gibt es auf dieser Reise durchaus auch brenzlige Situationen, echte Abenteuer eben, die auch anders hätten ausgehen können. Schließlich können nasse Füße bei 30 Grad unter Null ein Todesurteil darstellen. Überhaupt lernt man beim Lesen immer wieder, dass man unter diesen Ausnahmebedingungen nur zurechtkommen kann, indem man genauestens auf den eigenen Körper hört und Kleidung und Ausrüstung bis ins kleinste Detail plant. Nie hätte ich zum Beispiel gedacht, dass es so faszinierend sein könnte, ausführlichst über verschiedene Socken- und Plastiktütenschichten zum Schutz der Füße oder über selbstgenähte Muffs für den Fahrradlenker zu lesen und nachzudenken. Richard Löwenherz gelingt es, selbst diese Details so zu schildern, dass sie zum Charme dieses wohl wirklich einzigartigen Buches beitragen. Und das auch oder gerade, wenn man persönlich sicherlich niemals vorhat, es ihm gleichzutun.
Inmitten der Abgeschiedenheit trifft der Reisende auch immer wieder auf Einheimische; durchweg interessante Charaktere, die sich ebenfalls mit der Einsamkeit im hohen Norden arrangiert haben und den Radfahrer mit sibirischer Gastfreundschaft willkommen heißen. „Molodets“ – alle Achtung, so heißt ihr einhelliges Urteil.
Richard Löwenherz zeichnet nicht nur eine beneidenswerte Abenteuerbereitschaft aus, er ist auch ein begnadeter Erzähler und Fotograf, der uns mit seinem Buch an Eis, Abenteuer und Einsamkeit direkt teilhaben lässt. Ein Glücksgriff!