Mit dem Fatbike durch die sibirische Arktis - für solche Reisen braucht es wirklich ein(en) Löwenherz

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minjo Avatar

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Mit dem Fahrrad in die sibirische Arktis? Wem bitte fällt nur so etwas ein???

Richard Löwenherz - der Name allein lässt schon aufhorchen und so verwundert
es nicht, dass auch der Träger dieses vielversprechenden Namens alles andere als ein Weichei ist, sondern ein hartgesottener Abenteurer, der es liebt, seine Grenzen auszuloten und in abgelegene Gebiete vorzudringen, die vor ihm noch kein Radfahrer erkundet hat.

Das Cover des quadratisch handlichen und hochwertig verarbeiteten Reisebuchs weckt schon die Neugierde, doch die Fotos im Innenteil sind noch um ein vielfaches spektakulärer. Es macht sehr viel Freude, die Fotos zu betrachten und in Gedanken "mitzureisen" auf dieser außergewöhnlichen Tour über die Zimniks (zugefrorene Winterstraßen) Richtung Arktisches Meer und der entlegenen Hafenstadt Tiksi.

Mit dem Finger kann man die Route auf der Karte in der Buchumschlag-Innenseite nachfahren und stösst auf Regionen, von denen viele von uns wahrscheinlich noch nie gehört haben. In sehr kurzweiligen und interessanten Kapiteln entführt der Autor seine Leser in eine eisige, einsame Welt, doch seine Begeisterung für dieses riesige Land und seine Art, dieses per Fahrrad (und auf früheren und späteren Touren auch zu Fuss oder per Boot) zu entdecken, steckt wirklich an. Die Begegnungen mit den Menschen, die in diesen entlegenen Gebieten leben, beschreibt er zudem sehr warmherzig. Fast überall trifft er auf unvoreingenommene Gastfreundschaft und Übernachtungsangebote, Trucker teilen ihre Mahlzeiten, Tee und auch den obligatorischen Wodka mit ihm.
Doch auch der Verfall vieler Dörfer nach der Aufgabe der Bergwerke und Kraftwerke kommt zur Sprache. Überflutetes und brechendes Eis, Wolfsspuren im Schnee und mancherorts eisige Stürme und Schneeverwehungen machten das Vorankommen immer wieder schwierig, dennoch verlor er nie sein Ziel aus den Augen.

Mir gefällt die unaufgeregte Art des Autors, über seine abenteuerliche Reise zu schreiben, ausnehmend gut. Er stellt sich nicht als wagemutiger Held in den Fokus und bleibt bescheiden gegenüber seiner eigenen bemerkenswerten Leistung. Umso cooler ist der Eindruck, den er dadurch bei mir als Leser hinterlässt, wenn er beschreibt, wie er z.B. bei frostigen Minustemperaturen im Freien ohne Zelt übernachtet, obwohl ihm kurz vorher noch von Wölfen in der Nähe berichtet wurde. Man merkt, dieser Mann ist authentisch und ganz bei sich selbst, er muss niemandem etwas beweisen. Stattdessen legt er den Fokus auf die einzigartigen Landschaften und die dort lebenden Menschen - sehr sympathisch! Man spürt in jedem Kapitel seine Liebe und Faszination zu den Menschen, vor allem aber zu der überwältigenden Schönheit und Einsamkeit der Natur, die ihn seit Jahren immer wieder in diese Regionen führen - und natürlich die unvergleichliche Freiheit, die er auf seinen Touren genießt. Er zeigt im übrigen auch, dass man mit recht einfacher, kostengünstiger Ausrüstung (low budget) genauso weit kommen kann wie mit teuerster Hightech-Ausrüstung und/oder Sponsorenunterstützung.

Ich liebe es, von solchen außergewöhnlichen Menschen und grenzenauslotenden Reisen zu lesen, die zudem respektvoll mit der Natur und ihren Resourcen umgehen! Sie sind einfach inspirierend und öffnen den Blick über den vertrauten Tellerrand hinaus in die weite Welt.

Fazit: Ein wunderschön gestaltetes Buch mit traumhaft schönen Fotos für alle, die sich gerne einmal in eine Welt jenseits der bekannten Touristenpfade träumen, ohne dabei die heimische gemütliche Couch verlassen zu müssen.