Eis bricht

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lunamonique Avatar

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„Eis bricht“ startet mit einem verstörenden Prolog. Der Mörder lebt seine Phantasien aus, ist skrupellos und gnadenlos. Sein Plan funktioniert. Niemand scheint ihn aufhalten zu können. Weiter geht es im Heute. Henning Saalbach hat vor 12 Jahren seinen Sohn Marc verloren. Der Verlust lässt ihn nicht los. Bald wird der Mörder entlassen. Henning Saalbach schwört Rache. Zusammen mit dem Gefängniswärter Thorsten Koch plant er den Mord. Er ahnt nicht, dass der noch mehr Leute eingeweiht hat. Der Revolver gegen einen Gefallen. Die Sache nimmt ungeahnte Ausmaße an, aber Henning kann nicht mehr zurück. Viel zu lange hat er auf diesen Augenblick gewartet. Und dann geschieht etwas Unvorhergesehenes. Ein Mädchen sucht bei ihm Zuflucht. Gerade jetzt, wo er sich nur auf die eine, wichtige Angelegenheit konzentrieren sollte.

„Eis bricht“ ist Hochspannung pur. Marcs Mörder redet sich raus. Angeblich hatte er einen Diebstahl vor und wurde dabei gestört. Niemand ahnt, dass er einen ganz anderen Plan vertuschte. Dass der Täter unterschätzt wird, sorgt für zusätzliche Spannung. Zudem verstrickt sich die Rachegeschichte mit der des rätselhaften Mädchens Conni. Warum sucht sie Hilfe? Was ist ihr passiert? Mystisches fließt mit ein. Henning und Conni haben den gleichen Traum. Als Drittes kommt die Liebe dazu. Henning lernt bei einem schrecklichen Vorfall Franziska kennen. Haben die beiden eine Chance? Von der ersten bis zur letzten Sekunde fesselt dieser Thriller. Das Tempo zieht an, als Nächstes ein bisschen heile Welt, und dann wieder packende Szenen. „Eis bricht“ hat viele Überraschungen parat, ist unvorhersehbar und besticht mit interessanten Charakteren. Der Verlust eines Kindes durch eine Gewalttat, die Geschichte hat beängstigende Realitätsnähe. Eine Ehe zerbricht. Jeder sucht Trost auf seine Weise. Henning wendet sich dem Alkohol zu, will seinen Schmerz betäuben, aber er bricht immer wieder durch. Marcs Vater weckt Mitleid, seine Rachegefühle sind verständlich. Es lässt sich leicht nachempfinden, dass er glaubt, nur mit dem Mord zu Ruhe zu kommen. Die Selbstjustiz wird ihm gleichzeitig das Leben zunichte machen. Lange Jahre im Gefängnis stehen ihm bevor. Ein Teufelskreis. Der Titel ist zweideutig Er weist einerseits auf ein zerbrochenes Herz hin und gibt andererseits einen Hinweis auf eine Gefahr. Der Täter lässt sich nicht ins Handwerk pfuschen. Henning stochert in einem Wespennest herum, ohne es zu ahnen. „Eis bricht“ ist wie eine Achterbahnfahrt. Mal ist man auf Hennings Seite, rechtfertigt den Mord, und ein anderes Mal wünscht man ihm einen Neuanfang, ein bisschen Glück. Hennings Zerrissenheit geht auf den Leser üben und lässt ihn ebenso nach einem Ausweg aus der Misere suchen. Aufgaben hätte Henning genug. Conni, Franziska, sie brauchen ihn beide. Jeder ist für jeden der Rettungsanker. Ein klein bisschen Humor und doch wieder Trauer bringt Marcs Wellensittich in die Geschichte. Pan Tau ist auch nicht mehr das, was er mal war. Das fröhliche Herumfliegen hat er verlernt seit Marc tot ist.

Das Düstere der Geschichte findet sich auf dem Cover wieder. Dunkelheit lauert unter dem Eis. Risse sind zu sehen, kleine Blutstropfen. Dazu der blutrote Titel. Mit wenig Aufwand ist das Cover sehr gelungen. Die 206 Seiten vergehen wie im Flug. Autor Raimon Weber hat ein paar kluge Schachzüge parat. Der Wechsel im ersten Drittel zwischen „Heute“ und „Vor 12 Jahren“ lässt eine dichte, mitreißende Atmosphäre aufkommen, der man sich bis zum Ende nicht entziehen kann. Geheimnisse sorgen für die richtige Würze. Die blasse, viel zu dünn angezogene, immer wieder überraschend auftauchende Conni ist ein markantes Highlight der Geschichte. Wer ungewöhnliche Krimis und Thriller liebt, liegt mit „Eis bricht“ genau richtig. Verstörend, beängstigend, sehr unterhaltsam. Fünf Sterne plus einem Extrasternchen für die Spannung.