Gutes Deutsch ist anscheinend Glückssache

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sago Avatar

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Eines vorweg: Die Geschichte an sich und die Schreibweise der Autorin im Original hätte von mir mindestens vier Sterne erhalten. Auch die Aufmachung des Buches mit den zarten Blautönen und dem schönen Lesebändchen ragt heraus. Allerdings ist das Buch etwas, was man wohl Klappenbroschur nennt, der Einband ist sehr weich und der Roman wirkt optisch hochwertiger als er sich anfühlt. Und das erscheint mir irgendwie symbolisch. In der gut geschriebenen, frischen und originellen Fantasygeschichte hätte ich mich regelrecht verlieren können. Wäre die Übersetzerin nicht stolpernd durch den Text geirrt, offenbar von keinem vernünftigen Lektorat eines Besseren belehrt! Lieber Papierverziererverlag, sei mir nicht böse, aber so wird Papier definitiv nicht verziert! So grausig stelle ich mir Bücher von self-publishing Plattformen vor. Immer wieder wurde der Lesefluss unterbrochen durch Orthographie-, Grammatik- und Bezugsfehler. Bei der Groß- und Kleinschreibung ist die Übersetzerin ebenso unsicher wie beim Konjunktiv und Komparativ ("mehr müde" statt "müder" hat mir fast die Schuhe ausgezogen). Der Unterschied zwischen "anscheinend" und "scheinbar" bleibt ihr schleierhaft, ebenso wie der zwischen "wie" und "als". Sinnlos erfindet sie neue Wörter (hervorquillen). Manches ist sogar von unfreiwilliger Komik ("gebrechlich wie Perlen und Orchideen"). Ich habe mir vorgestellt, wie Perlen hier an Krücken wanken. Gemeint ist natürlich "zerbrechlich". Eine Kamee und das Lakrimarium wechseln ständig munter das grammatikalische Geschlecht, teilweise sogar innerhalb eines Satzes. Nein, ich bin keine Deutschlehrerin, aber Autorin und außerdem passionierte Leserin, die es schade findet, wie diese Geschichte hier rücksichtslos verhunzt wurde. Wirklich schade drum!
Emma, Penelope und Gretchen sind Debütantinnen im 19. Jahrhundert. Zu Beginn ahnen die Cousinen nicht, dass sie aus einer alten magiekundigen Familie stammen. Zum Schutz ihrer Tochter hat Emmas Mutter dieses Wissen verborgen, bevor sie selbst dem Wahnsinn anheimfiel. Doch kein Zauber hält ewig, und als Gretchen zufällig eine der Hexenflaschen ihrer Mutter zerbricht, nehmen die Ereignisse ihren Lauf. Vor den jungen Frauen öffnet sich buchstäblich eine ganz andere Welt, die nur einen Wimpernschlag vom vertrauten London entfernt ist. Besonders gefallen hat mir die fantasiereiche Darstellung des Koboldmarktes. Überhaupt weiß die Autorin mit einfallsreichen Details aufzuwarten, zum Beispiel sei hier die Peitsche des kopflosen Reiters genannt, die aus menschlichem Rückgrat besteht. Denn unvermutet hat Gretchen durch das Zerbrechen der Flasche die Tore zur Unterwelt geöffnet. Morde an jungen Frauen geschehen, und da Gretchen stets in der Nähe ist, gerät sie sogar unter Verdacht. Immer mehr findet sie über ihre Herkunft heraus, aber auch über Cormac, in den sie heimlich verliebt ist. Dieser ist nämlich Angehöriger eines alten Ordens. Viele Abenteuer warten auf die Cousinen, bis es gelingt, die Tore zur Unterwelt wieder zu schließen. Wie gesagt, man hätte wunderbar in der Story versinken können. Lieber Papierverziererverlag, mach bitte weiter, aber mit qualifizierten Übersetzern und verlässlichem Lektorat!