Mittelmäßige Nacherzählung der griechischen Mythologie

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pusteblume11 Avatar

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„Elektra, die hell Leuchtende“ erzählt die Geschichte der mykenischen Königsfamilie und des Trojanischen Krieges aus drei Perspektiven. Da ist zunächst Klytämnestra. Sie ist die Schwester von Helena und Frau von Agamemnon. Dann ist da Kassandra, eine Prinzessin von Troja und Priesterin Apollons, die eine seherische Gabe besitzt. Zuletzt auch die titel gebende Elektra, Tochter von Klytämnestra und Agamemnon. Wir begleiten diese drei Frauen und erleben welche Folgen der Trojanische Krieg für sie und ihre Leben hatte.
Die erste Frage, die ich mir nach der Lektüre stellte: Warum heißt das Buch eigentlich Elektra?! Elektra spielt von den drei Frauen die geringste Rolle und kommt auch gefühlt am wenigsten zu Wort. Zudem ist ihr Charakter am schlechtesten ausgearbeitet. Sie ist eindimensional und blass. Ihre einzige Charaktereigenschaft besteht nur darin, wütend, trotzig, selbstsüchtig zu sein und ihren schrecklichen Vater zu vergöttern. Alles, was sie fühlt, was sie denkt und tut, bezieht sich auf ihren Vater. Das wirklich Interessante in ihrer Lebensgeschichte wird am Ende schnell runter erzählt.
Kassandra ist minimal besser gelungen. Ihre Handlungen und Gedanken kann man besser nachvollziehen. Ihre Geschichte ist spannender. Wobei diese zu abrupt abgeschlossen wird und Kassandra leider auch stets das Opfer bleibt. Zudem habe das Gefühl, dass ihr Charakter nur eingebaut wurde, damit der Leser weiß, was gerade in Troja passiert. Das ist schade, denn ist eine interessante Persönlichkeit. Hier hätte ich mir auch etwas mehr gewünscht. Beide Charaktere bleiben recht eindimensional.
Am besten gelungen ist der Autorin Klytämnestras Charakter. Sie dominiert auch das Buch und bleibt am besten im Gedächtnis. Das mag daran liegen, dass ihre Gefühle und Gedanken am lebendigsten und authentischsten rüber gekommen sind. Schade, dass hier auch viel Potenzial verschenkt wurde, in dem z. B. nicht ausführlicher erzählt wurde, wie Klytämnestras Regierungsaufgaben in der Abwesenheit ihres Mannes übernommen hat oder wie das Leben am mykenischen Hof in diesen zehn Jahren war.
Insgesamt ist es leider so, dass es der ganzen Geschichte an Tiefe und Komplexität fehlt. So viele tragische Ereignisse und trotzdem kann man mit den Charakteren nicht wirklich mitfühlen. Vieles wird zu schnell abgehandelt und bleibt an der Oberfläche.
Der Sprachstil ist solide (=lässt sich gut weglesen). Ein paar unelegante Formulierungen kommen vor, aber das kann natürlich auch an der Übersetzung liegen.
Ich bin kein Experte in griechischer Mythologie und des Trojanischen Krieges, aber soweit ich das beurteilen kann, kommen alle relevanten Ereignisse und Personen vor, aber zu einer guten Nacherzählung gehört mehr. Nämlich die Geschichte aus einer anderen Perspektive zu erzählen, neue Blickwinkel einzufügen und die Charaktere lebendig werden zu lassen. In „Elektra, die hell Leuchtende“ ist das nur mittelmäßig gelungen.