Eine flüchtige Lektüre

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Emma Caldrige, ihres Zeichens Chemikerin und Ultramarathonläuferin, ist gerade im Grenzland zwischen USA und Mexiko auf der Suche nach nachtblühenden Pflanzen, als sie von einem mexikanischen Drogenkartell gekidnapped wird. Als der Kartell-Boss herausfindet, wen seine Leute als Geisel genommen hat, wird Emma sofort in die illegalen Aktivitäten des Drogenbosses eingebunden, da aufgrund einer Kontamination seiner Hanf-Pflanzen viele seiner Arbeiter nebst der Freundin des Kartellchefs tödlich infiziert wurden. Emma soll der Ursache für die Mutation der Pflanzen und der damit verbundenen Erkrankung auf den Grund gehen, ansonsten droht der Drogenboss mit dem Tod von Emma und einem Drogenkurier.

Nachdem sich Emma notgedrungen auf den Deal eingelassen hat, erfährt sie langsam die ganze Tragweite des Plans des Drogenkartells: Als Strafe für die Kontamination der Marihuanapflanzen will der Kartellchef die tödliche Ladung an Marihuana in die USA schmuggeln, wo diese für den Tod von hunderten Unschuldigen sorgen soll.

Unter Zeitdruck macht sich Emma auf die Suche nach dem Auslöser für die Kontamination der Pflanzen und hat dabei immer die Flucht aus der Festung des Kartells vor Augen ...

 

Klingt der Grundplot von „Emmas Angst“ schon ein wenig krude, so muss ich auch anmerken, dass das Buch keineswegs mehr als drei Sterne verdient. Leider verschenkt Jamie Freveletti so ziemlich das komplette Potential, welches der Roman enthalten hätte können, wenn man den Roman nicht am Reißbrett entworfen hätte.

Drogenkartelle, eine mysteriöse Infektion von Pflanzen, die auf Menschen übergreift, und eine faszinierende Frau, die in das mexikanische Niemandsland fliehen muss - soweit die spannende Theorie, doch was die Umsetzung in die Praxis anbelangt, so sieht das Ganze doch gleich anders aus. Mit so etwas Überflüssigem wie einem Prolog oder einem Epilog hält sich Jamie Freveletti gar nicht auf, der Leser wird gleich ins Geschehen hineingeworfen und muss sich den Hintergrund zu Emma und ihrer Mission erst einmal zusammenlesen, falls er die Chemikerin nicht aus den beiden Vorgängerbänden „Lauf“ und „Flieh“ kennt.

Leider ist die Geschichte auch von jeder Menge Logiklöchern, grottiger Dialoge und konturloser Figuren, die allesamt wirklich holzschnittartig entworfen wirken, durchzogen. Mancher Wortwechsel regt da schon mal zum unfreiwilligen Schmunzeln an, wenn Pathos oder Gossensprache an der Stelle eingesetzt werden, an der sie garantiert fehlplaziert wirken!

Mit der Subtilität hat es Freveletti auch nicht so. Suggeriert das Cover bereits allzu offensichtlich die gewollte Grundstimmung der Erzählung, so ist die ganze Geschichte von Unplausibiliäten und hanebüchener Aktionen der Protagonisten durchzogen. An manchen Stellen hatte ich so das Gefühl, das literarische Pendant zu deutschen Schrott-Serie „Alarm für Cobra 11“ in Händen zu halten – allzu überschneidend waren manche Verfolgungsjagden und Dialogversuche! Insgesamt hat Jamie Freveletti „Emmas Angst“ nahezu komplett versiebt: Sie liefert zwar einen lesbaren Thriller ab, der aber an sämtlichen Ecken unausgefeilt und platt wirkt - oder, um ein Wortspiel zu bemühen: Für mich bleibt "Emmas Angst" eine höchst flüchtige Lektüre!

 

Zum Schluss sei noch als kleine Lektüreempfehlung angemerkt: Wer sich wirklich für das mörderische Geschehen im US-Mexikanischen Grenzraum interessiert und wer wissen will, wie dort das tägliche (Drogen-)Leben funktioniert, dem sei an dieser Stelle das vorzügliche Epos „Tage der Toten“ von Don Winslow empfohlen. Dieses Buch zeigt, welches Potential „Emmas Angst“ besessen hätte, wenn man das ganze richtig angepackt hätte!

Bücher sind wie Schiffe, die das Meer der Zeit durchsegeln (Francis Bacon)