Wenn man mit Agenten zu tun hat

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adel69 Avatar

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Ich habe seit langem wieder einen Agentenroman gelesen, nämlich diesen


==Empfindliche Wahrheit==


Autor: John le Carré
Erscheinungsdatum in Deutschland: 18. November 2013


==Über Agenten und was hinter ihren Tätigkeiten steckt - oder: die Handlung==

Im ersten Kapitel erfährt der Leser, wie ein Agent, der sich den Decknamen Paul Andersen nach Gibraltar geschickt wird. Im Auftrag von Staatsminister Quinn soll er mit anderen Leuten einen islamistischen Waffenhändler ausschalten.

Alles wird geheim gehalten. So soll Paul aus seinem Hotel nicht auschecken, sondern plötzlich verschwinden.

Die Aktion gegen den Waffenhändler gelingt nicht, aber in Agentenkreisen scheint das nicht wichtig zu sein. Offiziell heißt es: die Aktion sei geglückt.

In weiteren Kapiteln lernt der Leser Toby kennen, der beim britischen Geheimdienst arbeitet. Einige Dinge dort erscheinen ihm rätselhaft - und er ist am Ausloten: wer ist sein Freund, wer ist sein Feind? Was ist mit seinem Vorgesetzten Oakley passiert, bevor er sein Vorgesetzter wurde? Und was hat es mit Jay Crispin auf sich, den er angeblich meiden soll?

Je weiter Toby forscht, desto unerklärlicher werden manche Vorgänge. Auf einmal erscheint ein Mann, namens Kit, auf der Bildfläche. Kit - das ist der wahre Namen des Agenten Paul aus dem ersten Kapitel. Sein Leben mit seiner Familie verläuft nach dem Agenteneinsatz in Gibraltar normal. Bis zu dem Tag, als er Jeb auf einer Veranstaltung trifft. Auch Jeb war damals in Gibraltar - und hat dort Furchtbares gesehen. Diese schlimmen Ereignisse haben ihn traumatisiert. Er teilt sie Kit mit. Dieser ist beunruhigt und will mehr darüber wissen.

Das führt soweit, dass er sich mit Toby trifft. Nicht nur Kit, sondern auch Toby bezweifeln, dass ihnen über die damaligen Ereignisse auf Gibraltar, deren Hintergründe und Nachwirkungen die richtigen Informationen gegeben wurden. Kit und Toby wollen die Wahrheit erfahren - auch wenn das gefährlich ist. Lebensgefährlich sogar...



==Keine leichte Lektüre - oder: meine Leseerfahrung==

Agentenromane habe ich schon gelesen - und ich weiß: man sollte sie mit Konzentration lesen. Grund sind viele Handlungsstränge, die alle irgendwann - gegen Ende eines Buchs - zusammenlaufen.

John le Carrés Roman macht hier keine Ausnahme, auch wenn der aus der auktorialen Perspektive (also kein Ich-Erzähler) geschriebene Roman erst mal nicht kompliziert auf mich wirkt. Das erste Kapitel schließt logisch die Aktion gegen den Waffenhändler ab. Im zweiten Kapitel lerne ich Toby kennen. Dieser fragt akribisch nach, forscht akribisch nach. Manche Dinge erscheinen ihm merkwürdig - und sie erscheinen auch mir als Leserin merkwürdig.

Je weiter ich als Leserin aber in den Roman vordringe, desto komplizierter wird manches. Dabei verwendet John Le Carré keine komplizierte Sprache oder komplizierte Ausdrücke. Nein, ich mag seinen Schreibstil, diese besonders gepflegte Sprache.

In der Handlung treten im Laufe des Buches neue Details zutage, die meine Konzentration besonders fordern. So hat es beispielsweise eine Weile gedauert, bis ich kapierte, dass Kit, der mitten im Buch auftaucht, der Agent "Paul" vom ersten Kapitel ist. Leichte Lektüre ist also solch ein Agentenroman nicht - aber durchaus spannend. Die Spannung ergibt sich dadurch, dass manche Handlungen, die ich zuerst nicht verstehe, dann doch logisch in die Gesamthandlung passen. Und zusammen mit Toby will auch ich wissen: Welche Ungereimtheiten gibt es in den Ereignissen rund um den Einsatz in Gibraltar?

Toby finde ich durchaus sympathisch. Auch Kit und seine Familie mag ich. Aber Toby ist meine Lieblingsfigur in dem Roman - er tut mir oft leid! Was muss dieser Mann alles aushalten!

Sympathisch finde ich als Leserin, dass ich keine Superhelden in diesem Buch bekomme. Ich lese über keine James-Bond-Figur, die alles zu tun vermag. Ich lese aber über Menschen, die zweifeln. Denen ihre Zweifel keine Ruhe lassen, bis sie die Zweifel ausgeräumt haben. Leute, die einfach ihren Job machten und merkten, dass irgendwann etwas nicht so war, wie es sein sollte.

Ihre Nachforschungen bringen sie in Gefahren - denn es gibt Leute, die nicht wollen, dass gewisse Dinge aufgedeckt werden.

Gegen Ende wird das Buch richtig spannend. Das Ende ist offen. Positiv ist an diesem offenen Ende, dass ich zum Nachdenken, zum Spekulieren angeregt werde. Negativ ist daran, dass manche Fragen unbeantwortet bleiben - denn ich hätte vom Autor selbst doch gerne Lösungen serviert bekommen, ohne zu viel nachdenken zu müssen...



==Mein Fazit==

„Empfindliche Wahrheit“ von John leCarré ist ein gut geschriebener Agentenroman, für den man allerdings Konzentration mitbringen sollte.

Wer sich darauf einlässt, den erwartet ein sehr ansprechendes Buch in einem schönen Schreibstil.

Da ich nach den ersten Kapiteln manche Dinge erst verwirrend fand und wegen des offenen Endes ziehe ich einen Stern in der Gesamtwertung ab. Von mir bekommt der Roman also vier Sterne und eine Empfehlung.


P.S.: Diese Rezension erschien noch im Buchblog der "Verrückten Leseratten". Außerdem noch bei Ciao.de. Ich schreibe da jeweils unter "Sydneysider47". Rezensionen auf anderen Verkäuferseiten sind noch geplant.