Rasanter Thriller, der mit exzellenter Recherche glänzt

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
buchdoktor Avatar

Von

Jenny Aarons Vater war als Mitglied der GSG 9 an der Befreiung der Landshut in Mogadischu beteiligt. Einer Polizisten-Tochter könnten böse Zungen unterstellen, dass sie nur durch Protektion ihres berühmten Vaters Karriere in einer Sondereinheit der Berliner Kripo gemacht hätte. Nach einer schweren Verletzung bei einem Einsatz in Barcelona erblindet Aaron und wechselt aus Berlin zum BKA nach Wiesbaden. Als Späterblindete trainiert sie besonders eisern ihre Mobilität und ihre Gedächtnisleistung und muss lernen, sich akustisch im Raum zu orientieren. Karate und Schießtraining stehen selbstverständlich auf ihrem Trainingsplan.

Der Mord an einer Gefängnispsychologin in einer Berliner JVA führt Jenny Aaron an ihren ehemaligen Wirkungsort zurück, weil sie dem Täter während ihrer Polizeiausbildung begegnet ist. Die Sonderabteilung wird inzwischen von der jungen Kriminalbeamtin Demircivi geleitet, die sich ihren Stallgeruch erst verdienen muss. Als Frau und soziale Aufsteigerin scheinen die Schuhe ihres von den Kollegen hoch geachteten Vorgängers Lissek für Demircivi noch zu groß zu sein. In eine vielversprechend konfliktreiche Situation in ihrer ehemaligen Abteilung platzt nun Aarons Sondereinsatz in Berlin. Der erfahren Kollege Pavlik, ebenfalls im Dienst schwer verletzt, gibt seiner Chefin Demircivi den Tipp, die Männer niemals mit „Herr “ anzusprechen, sondern allein mit ihrem Nachnamen. Andreas Pflüger hält es mit seiner Hauptfigur ebenso. Jenny Aaron wird zu Aaron – und für mich damit zu einer Art Neutrum im Sondereinsatz, ohne typisch männliche oder weibliche Eigenschaften. Die burschikose Anrede zischelte mir beim Lesen zu: es ist ein Kriminalkommissar, während die Braille-Schrift auf dem Buchcover den Fingern meiner linken Hand signalisierte: und sie ist blind. Bereits die Figur einer blinden Sonderermittlerin hat meine Aufmerksamkeit auf diesen Thriller gerichtet, denn in einer Sondereinheit kann eine vermeintliche Schwäche taktisch geschickt zum Vorteil werden, wenn sie einen Gegner dazu bringt sein Gegenüber zu unterschätzen.

Schnell wird den Ermittlern klar, dass der Mord an der Psychologin in Berlin nur ein Köder war, hinter dem sich ein komplizierter Fall verbirgt. Die Fäden zieht in Wirklichkeit ein Mann namens Holm. Für die Polizei ist der Mann bisher ein verdächtig unbeschriebenes Blatt, ohne Wohnsitz in Deutschland, ohne Papiere und Steuernummer. Gemeinsam mit Aaron ist schleunigst aufzuarbeiten, was damals bei ihrem Einsatz in Barcelona passiert ist. Sie selbst muss sich Rechenschaft über ihre Beziehung zu ihrem Kollegen Niko ablegen, mit dem sie gemeinsam eingesetzt war. Dabei hat Aaron es mit einem Gegner auzufnehmen, der sie besser zu kennen glaubt, als sie sich selbst kennt, weil sie beide Bushido, den Weg des Samurai, gehen. Nur sie beide scheinen einander gewachsen zu sein. Auch Kollege Pavlik wird - wie Aaron - in einen Machtkampf verstrickt, in dem sein Gegner viel zu gut weiß, wie ein erfahrener Scharfschütze tickt.

In der Auseinandersetzung mit dem skrupellosen Holm kommt es zu rasanten Szenen. Passagen, in denen Aaron zum körperlich versehrten Supergirl stilisiert wird, waren nicht unbedingt mein Geschmack. Förmlich ins Buch gesaugt haben mich allerdings die Abläufe innerhalb des Teams und die Auflösung der Vorgeschichten, ohne die die Ereignisse nicht einzuordnen wären. Alle Figuren und Nebenfiguren wirken liebevoll ausgearbeitet. So haben zwar viele Ermittler-Teams Sekretärinnen, aber hier hat die Sekretärin Persönlichkeit. „Endgültig“ präsentiert sich als sprachlich origineller, teils ironischer, Thriller, der durch die exzellente Recherche zu Eigenheiten einer blinden Sonderermittlerin herausragt.