Ganz großes Kino

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
blaubeermuffin Avatar

Von

Dieses Buch habe ich von Anfang bis Ende verschlungen, wollte es teilweise gar nicht aus der Hand legen, so spannend war es. Besonders gefiel mir der pointierte, sehr bildhafte Schreibstil. Alle geschilderten Szenen und Personen traten mir beim Lesen plastisch vor Augen. Mit der Protagonistin Gabrielle konnte ich mich gut identifizieren und mich sehr gut in ihre Situation einfühlen, auch wenn ich, im Gegensatz zu ihr, nicht im Rollstuhl sitze. Teilweise habe ich vor lauter Mitfiebern regelrecht Bauchschmerzen bekommen. Das ist mir noch nie beim Lesen eines Buchs passiert! Auch die herrlich schräge Bethany wurde überzeugend dargestellt. Trotz ihrer Garstigkeit und Unberechenbarkeit wurde sie einem am Ende doch noch ein wenig sympathisch.

Was mich nur ein wenig an der Love-Story störte: Wie oft hat man solche Szenen schon gesehen, dass die Frau ihren Partner zusammen mit einer anderen Frau sieht. Obwohl die Situation alles andere als eindeutig ist, nimmt sie sofort an, es handle sich um seine Geliebte. Anstatt die Situation anzusprechen und zu klären, schmollt sie und geht zu ihrem Partner auf Abstand, bis sich alles irgendwann in Wohlgefallen auflöst und sich herausstellt, dass sie ihren Mann völlig zu unrecht verdächtigt hat. Als Leser hat man sich schon längst gedacht, dass an der Sache nichts weiter dran ist, aber nein, unsere Protagonistin spielt lieber die beleidigte irrationale Leberwurst, und das über mehrere Kapitel. Obwohl sich dieses Verhalten Gabrielles später aus ihrer persönlichen Situation heraus glaubwürdig herleiten ließ, finde ich derartige Szenarien erst mal immer klischeehaft und nervig. Aber vielleicht müssen manche Klischees einfach um der lieben Spannung willen bedient werden.

Trotzdem tat dieser kleine Kritikpunkt meinem Lesevergnügen keinen Abbruch. Dieses Buch hat meine Erwartungen mehr als erfüllt und war wirklich toll zu lesen, auch wenn die Psycho- und Endzeit-Thematik doch sehr düster war und mich von der pessimistisch-nihilistischen Grundstimmung her ein wenig an den Film "Children of Men" erinnerte. Wer nur fröhliche, beschauliche und harmonische Gschichterln über 100%ig „normale“ Menschen lesen mag, dem wird dieses Buch nicht gefallen. Auch, wer ein festgelegtes Genre- und Handlungsschema im Kopf hat und erwartet, dieses bestätigt zu finden, wird wohl enttäuscht werden.

Vielleicht fanden ja deswegen so viele andere Rezensenten an diesem Buch keinen Gefallen? Wer weiß. Ich persönlich fand die Figuren keinesfalls „flach“, eher im Gegenteil, auch gefiel mir der Genre-Mix aus Psychothriller, Science Fiction (wobei, der Klimawandel ist leider real!), Religionskritik und Love-Story. Für mich war die Handlung zu keinem Zeitpunkt vorhersehbar. Fast bekomme ich den Eindruck, ein völlig anderes Buch gelesen zu haben als manch anderer. Auf jeden Fall ist dieser Roman ein intelligent geschriebenes und mitreißendes Buch, das einen nicht mehr so schnell loslässt und zum Nachdenken anregt.