Kann man gelesen haben, muss man aber nicht

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annajo Avatar

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Eine junge Lehrerin wird nach ihrer Babyparty ermordet aufgefunden. Von dem Kind fehlt jede Spur. Dies ist bereits der dritte Fall und die Polizei gerät unter Druck. Daher holt Detective Inspector Phil Brennan die Psychologin Marina Esposito ins Team um bei den Ermittlungen durch die Erstellung eines Profils zu helfen. Doch die Vorzeichen stehen schlecht, denn beim letzten Fall, an dem Marina beteiligt war, wurde sie angegriffen. Daher nimmt sie den Auftrag nur zögernd und zweifelnd an. Denn auch zwischen Phil Brennan und ihr steht einiges im Weg. Gleichtzeitig ist Marina schwanger und gerät so selbst langsam ins Visier des Täters ...

Die Handlung des Buches an sich ist recht spannend. Die Kapitel werden immer wieder aus wechselnden Perspektiven geschildert, unter anderem auch aus der des vermeintlichen Täters. Nur langsam kommt man dem gesamten Ausmaß der psychischen Probleme der Person, die die Kinder behält, auf die Spur. Der Autorin ist es gut gelungen, mich zum Ende hin auch auf eine falsche Fährte zu führen. Allerdings waren die Hintergründe teilweise sehr düster und führten in tiefste menschliche Abgründe, die ich so als kaum realistisch empfand. Auch war mir persönlich das Buch zu blutrünstig. Gleichzeitig fand ich, dass nicht genug Fokus auf den Kriminalfall gelegt wurde. Man erfährt kaum etwas über Marinas Arbeit oder die Schritte, die die Polizei unternimmt, weil alle zu sehr mit ihren persönlichen Problemen beschäftigt sind. Die Beziehungen zwischen den Charakteren haben mir zu viel Raum eingenommen. Dadurch hat die Spannung gelitten. Es ist der Autorin jedoch gelungen, vielschichtige Charaktere zu entwickeln, vielleicht genau deshalb, weil sie ihnen so viel Raum gegeben hat.
Unklar war für mich, warum der Täter wusste, dass Marina schwanger ist, Brennan es aber nicht mitbekommt. Reicht es aus, für solche Schlüsse zum Schwangeren-Yoga zu gehen oder ist dieser Schluss doch sehr weit hergeholt? Esposito hätte auch einfach Undercover unterwegs sein können. Auch habe ich mich gefragt, ob es in England tatsächlich eine solch trostlose Gegend geben kann. Von den Beschreibungen her stellte ich mir immer wieder ein Setting aus den Zeiten der Industrialisierung vor. Ich konnte mir einfach keine gegenwärtige Gegend dieser Art vorstellen.

Insgesamt war das Buch in Ordnung, für mich jedoch zu düster und brutal. Alle Fans von härteren Thrillern dürften jedoch ihren Spaß damit haben. Auch war die psychische Welt eines der Protagonisten (sorry, ich will nicht zu viel verraten) für mich einfach zu bedrückend. Zudem kam mir die Profiler-Arbeit zu kurz. Insgesamt würde ich aber von dem Buch nicht unbedingt abraten. Ich kann es jedoch auch nicht uneingeschränkt empfehlen: kann man gelesen haben, muss man aber nicht.