Erbarmen - 1. Fall für das Sonderdezernat Q...

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parden Avatar

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Wenn man durch die vielen Bücher über Polizisten in Skandinavien ein realistisches Bild der Polizeiarbeit vermittelt bekommt, kann einem sicher Angst und Bange werden. Kettenrauchende und koffeinabhängige Einzelgänger stapfen beladen mit ihren privaten Problemen und aufs äußerste mürrisch durch ein regen- und nebelverhangenes Land.
Aber genau das macht diese Antihelden skandinavischer Krimiliteratur so lesens- und liebenswert.

Auch Jussi Adler-Olsens Ermittler Carl Mørck folgt diesem Muster. Carl ist ein sich selbst zermürbender Vizepolizeikommissar, seitdem während einer Mordermittlung ein Kollege starb und ein anderer schwer verletzt wurde, er selbst hingegen nur eine Schramme davontrug. Da niemand mit ihm zusammenarbeiten möchte, wird er "wegbefördert" und zum Leiter des Sonderdezernats Q ernannt, spezialisiert auf lang zurückliegende, ungelöste Fälle.
Ihm zur Seite steht Hafez el-Assad, eine syrische Hilfskraft als Mädchen für alles, der sich jedoch schnell auf eine unnachahmliche Art und Weise unersetzlich macht. Er ist es auch, der den Fall des ungeklärten Verschwindens von Merete Lynggaard aus den Aktenbergen hervorkramt.

Die junge Parlamentsabgeordnete wurde vor fünf Jahren entführt und wird seither in einem dunklen Verlies gefangen gehalten. Die Frage ist: warum? Die Polizei allerdings geht davon aus, dass Merete tot ist, das Verfahren wurde bereits vor Jahren wieder eingestellt.
Nun soll also Carl Mørck die kalten Spuren wieder aufnehmen, tut dies anfangs allerdings so behäbig, dass man ihn schütteln möchte.

Das erste Viertel des Buches hat mich noch nicht so in den Bann gezogen - die Personen wurden zwar vorgestellt, die Situation dargelegt, aber alles war noch in einem Schwebezustand. Danach nahm die Geschichte aber an Fahrt auf, und die verschiedenen Handlungsstränge näherten sich zunehmend einander an.
Besonders gefallen hat mir an dem Buch das Ermittlerduo Carl Mørck und sein syrischer Assistent (kein Polizist!) Hafez el-Assad, der sich im Laufe der Ermittlung als eine wahre Fundgrube unerwarteter Fähigkeiten und Überraschungen entpuppt und nicht nur seinen Chef immer wieder verblüfft.
Die Einblicke in Meretes langjähriges Martyrium in dem Verlies waren grausam. Wie lässt sich eine solche Isolierung über einen so langen Zeitraum (unbeschadet) überstehen?

Einen dicken Minuspunkt muss ich allerdings geben, da ich bereits ca. ab Seite 50 eine Theorie hatte, weshalb Merete Lynggaard entführt wurde und wer der Täter ist - und die bestätigte sich dann auch noch. Dieses Manko hat mich dann schon enttäuscht.
Verständlich fand ich dagegen, dass auch nach Abschluss des Falls noch viele Fadenenden offen blieben, die sich um Carl Mørck und seinen syrischen Assistenten drehen. Da "Erbarmen" das erste Buch einer Reihe ist, wird es in den Folgebänden noch ausreichend Zeit geben, das ein oder andere Rätsel zu lüften...

Insgesamt hat es mir trotz der frühen Lösung Spaß gemacht, das Buch zu lesen - und bin auch nicht abgeneigt, den Folgeroman zu lesen, der im September 2010 erscheinen soll...