"Erbarmen" von Jussi Adler-Olsen

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**"Erbarmen" von Jussi Adler-Olsen**
**Inhalt**
Carl Morck kommt nach einer längeren Arbeitspause aufgrund einer Tragödie, bei der ein Kollege getötet und ein anderer gelähmt wurde, mit mangelnder Motivation und schlechter Laune wieder ins Kopenhagener Polizeipräsidium. Um ihn von den anderen Kollegen fernzuhalten, haben seine beiden Chefs sich etwas ganz kluges ausgedacht: Carl wird die Leitung eines von der Regierung geforderten Sonderdezernats Q übernehmen, Sein erster Mitarbeiter ist der Syrier Assad, der eigentlich nur putzen soll, aber auch ganz andere Tricks auf Lager hat. Gemeinsam nehmen sie sich als ersten Fall das ominöse Verschwinden der Paralamentsabgeordneten Merete Lynggaard vor. War es Selbstmord, ein Versehen -oder doch Mord? Der Leser weiß aber schon zu Beginn, dass Merete noch am Leben ist. Sie wird gefangen gehalten, aber Merete weiß keinen Grund, weshalb ihr diese Folter angetan wird.

**Meinung**
In verschiedenen Abschnitten schreibt der Autor über Carl Morck in der Gegenwart, 2007, wie er nach dem Unfall mit seinen Kollegen wieder zur Arbeit erscheint. Die Kapitel mit Merete Lynggaard beginnen noch vor ihrem Verschwinden 2002 und laufen die folgenden Jahre fort. Das ist schonmal der erste Pluspunkt der Geschichte, weil ich diese Art Aufbau mit mehreren Charakteren, die klar voneinander gesondert sind, sehr schätze.
Nächster Pluspunkt sind die Charaktere selbst: Der Ermittler Carl Morck bietet die Einzigartigkeit, die ein Ermittler brauch. Dabei ist er ein typischer Eigenbrötler, der in sich gekehrt ist und gerne für sich arbeitet. Das mit Erfolg, denn er ist ein genialer Ermittler, der seinen Instinkten vertrauen kann und jedes noch so kleine Detail in einem Fall betrachtet. Mit diesem Charakter bietet der Autor dem Leser einen äußerst symphatischen Ermittler, dem man gerne durch die Geschichte folgt.
Auch sein Helfer, der Syrier Assad, ist eine ulkige Nudel, die Carl Morcks Ernsthaftigkeit und mangelnden Optimismus durch eine Situationskomik, die mir sehr gut gefallen hat, stellenweise abschwächt und sich somit sehr gut in das Ermittlerteam einpasst. Dabei ist Assad eigentlich kein Polizist, sondern nur bei Carl als "Mädchen für Alles" angestellt. Zusammen ergeben sie ein wirklich gelungenes Team!
Die Gefangene Merete ist sowohl in Job als auch Privatleben eine starke Frau. Beides hält sie streng getrennt voneinander, sodass kaum jemand von ihrem behinderten Bruder Uffe weiß, um den sich ihr gesamtes Privatleben dreht. Eine symphatische Frau, bei der man oftmals Mitleid hat, wie sich ihr Schicksal und Leben gestaltet haben, besonders als sie sich in Gefangenschaft befindet. Dort finde ich es aber erstaunlich, wie viel Zeit sie in ihrem Verlies verbringt, ohne deutliche Anzeichen von Verrücktheit zu zeigen. Ich halte es eigentlich nicht für möglich, so normal wie sie zu bleiben, nur weil man an sein bisheriges Leben, schöne Momente, Bücher und Filme denkt. Andernfalls hätte sie sich aber in einen schwierig darzustellendem Delirium befunden, somit ist ihr erstaunlich guter, geistiger Zustand hinzunehmen.
Der Fall insgesamt war gut aufgebaut, mit neu aufkommenden Informationen, die meistens genau zur rechten Zeit kam, bevor es zu langweilig wurde, wie die Ermittler im Dunkeln tappten. Juss Adler-Olsen hat meines Erachtens eine gute Mischung aus Tätersuche-Tätermotiv-Ermittlung und den Privatleben Carls und Meretes geschaffen. Man kommt als Leser auch durch Meretes Reaktionen auf Gesichter und Stimmen schnell auf den tatsächlichen Täter, was dann am Ende streckenweise ein kleines bisschen nervt, wenn die beiden Ermittler so lange brauchen, darauf zu kommen und sich die Geschichte zieht.
Das war aber nicht an vielen Stellen so, vor allem der Anfang bis über die Mitte hinaus sind gut zu lesen, ohne das viele langweilige Abschnitte vorkommen.
**Fazit**
Ein lohnenswerter Thriller mit Spannung, die weniger durch die Tätersuche, als durch die Folter des Opfers Merete herrührt und einem mehr als überzeugenden Ermittler-Duo. Geeignet auch für zartbesaitete: weder viel rohe, brutale Gewalt, noch irgendwelche Psychospielchen. Insgesamt ein toller erster Teil, bei dem man sofort mit dem Zweiten anfangen könnte. Da es in Dänemark spielt, sind alle Namen und Ortsangaben oder Straßen auch dänisch, muss man sich drauf einstellen, hat mich aber nicht gestört.