Vielversprechender erster Fall!

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nickimaus Avatar

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Jussi Adler-Olsen hat hier einen tollen ersten Fall für Carl Morck vom Sonderdezernat Q abgeliefert. Für mich ist das Ganze allerdings ein Polizeiermittlungskrimi, der auf Grund des Falles Elemente eines Psychothrillers aufweist, den ich aber keinesfalls, wie auf dem Buch beworben, als "dämonischen Psychothriller" bezeichnen würde.

Wie erwähnt, besteht das Buch aus 2 Teilen, die vom Autor abwechselnd behandelt werden. Der überwiegende Teil spielt im Jahr 2007 und dreht sich um die Gründung des Sonderdezernates Q, welches bereits abgeschlossene, aber noch ungeklärte Fälle neu aufrollen soll. Chef und anfangs einziger Mitarbeiter dieser Abteilung ist der Protagonist Carl Morck. Diesen mochte ich von Beginn an. Er hat eine ironische, spitzbübische Art, die sich oft in süffisanten Bemerkungen seinerseits ausdrückte und mich desöfteren zum Lächeln brachte. Ich hätte mir zwar mal einen Ermittler gewunschen, der nicht durch Ereignisse aus der Vergangenheit traumatisiert ist, aber irgendwie gehört das bei Buchserien schon fast dazu, um den Personen eine Vergangenheit zu geben und sie nicht als langweilige Charaktere darzustellen. Positiv muss ich hier aber noch erwähnen, dass nicht auf jeder zweiten Seite darauf verwiesen wird und Carl Morcks Leben sich auch noch um etwas anderes dreht. Nach kurzer Zeit bekommt er, eigentlich als Putze und Kaffeekocher gedacht, einen arabischen Mann namens Assad zugewiesen. Aber schon bald stellt sich heraus, dass der Mann viel mehr drauf hat als Tee zu servieren und wird unerlaubterweise von Carl in die Ermittlungen mit einbezogen. Um ihn baute der Autor eine geheimnisvolle Vergangenheit auf, die mit Sicherheit erst in den Folgebüchern nach und nach gelüftet wird. Das Zusammenspiel der beiden mit den lustigen Dialogen fand ich richtig klasse und Assad wurde mein heimlicher Held und ist mir sehr ans Herz gewachsen.

Köstlich fand ich wie Carl Morck anfangs seine Zeit in seinem Kellerbüro mit Internet surfen, schlafen und Sudokus lösen verbrachte. Als er aber dann langsam mit dem ersten Fall beginnt, ist er Feuer und Flamme. Seit knapp 5 Jahren ist eine bekannte Politikerin spurlos verschwunden. Zwar wird vermutet, sie sei ertrunken, aber eine Leiche wurde nie gefunden. Er beginnt zu recherchieren und entdeckt ziemlich schnell Schwachstellen in den damaligen Ermittlungen. Mir gefiel gut wie Carl Morck die Arbeit anpackt, denn obwohl er sich sehr in den Fall reinhängt, kam er nie als karrierebessesener Workaholic rüber. So ganz geradlinig läuft nicht alles ab und man muss schon etwas mitdenken um am Ball zu bleiben. Man trifft auf alle möglichen Leute. Von geistig Behinderten über Politiker bis hin zu Wissenschaftlern und Geschäftsleuten. Hart habe ich mich mit den dänischen Namen (Jensen, Hansen...) getan, die für mich viel schwieriger zuzuordnen sind als schwedische.

Das Privatleben des Ermittlers wird durchaus auch behandelt, allerdings in einem Maß, das genau richtig ist. Zudem hat es der Autor geschafft, auch hier mein Interesse zu wecken und mich nicht mit Morgentoilette und Wurstbroten zu langweilen wie z.B. Andreas Franz.

Im zweiten Teil sind wir bei eben dieser vermissten Politikerin. Sie lebt noch, wird aber von unbekannten Personen in einem Raum eingeschlossen und seit ihrem Verschwinden gefangen gehalten. Wir begleiten sie durch die Schlüsselstellen der Jahre von 2002 bis 2007 und erfahren, was ihr alles angetan wurde. Physische Gewalt gibt es keine, aber der Psychoterror, der auf die Frau ausgeübt wird, ist immens. Wir wissen also, dass die Frau, über deren Verschwinden Carl Morck ermittelt, noch lebt, aber der Spannung tut dies keinen Abbruch.

Natürlich hat das Buch auch seine Schwachstellen: So konnte ich fast nicht glauben, dass die Auflösung des Falles wirklich so banal und einfach war. Die Beweggründe der Entführer waren auch nichts, was man nicht schon mal gehört hat und das ein oder andere Klischee (z.B. die übliche Sammlung von Photos, Schriftstücken und Zeitungsausschnitten, die beim Täter gefunden wird, damit der Ermittler und somit auch der Leser zu 100% über die Beweggründe Bescheid weiß) wurde auch bedient.

Für diese Kleinigkeiten und die Tatsache, dass ich noch Steigerungspotential in dieser Reihe sehe, gibt es ein Sternchen Abzug und somit bleiben 4 Sternchen für den Beginn einer vielversprechenden Serie.