Bedeutsame Erinnerungen

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mel.e Avatar

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"Erinnerungen aus Glas" ist ein Roman, der mit den Geschehnissen in den Niederlanden inmitten des 2. Weltkrieges. Ich empfinde den Zwiespalt der Menschen als sehr deutlich dargestellt, habe ich doch immer Anne Frank vor Augen. Der Autorin gelingt es die Unbarmherzigkeit der damaligen Zeit in Szene zu setzen, ohne dabei zu überfordern. Vieles wird nur angedeutet, ist aber zwischen den Zeilen zu lesen, zumindest für diejenigen, die sich damit schon zuvor auseinandergesetzt haben. Mir gefällt, das hier zwei Frauen in den Fokus gerückt werden, deren Ziel es ist, möglichst viele Kinder zu retten, die verschleppt werden sollen und schon in der Sammelstelle des Amsterdamer Theaters wie Vieh behandelt werden. Die Trennung von den Eltern ist unabdingbar für das Überleben und auch ich als Mutter würde lieber von meinem Kind getrennt, mit der Hoffnung, das Leben so zu sichern. Die Darstellung der Soldaten innerhalb dieses Geschehens ist authentisch, denn es wirkt schon immer auf mich gefühlskalt und lieblos, sobald ich mich mit der Geschichte auseinandersetze. Hier ist absolute Gehirnwäsche geschehen, die für mich nicht nachvollziehbar ist. Es ist absolutes Gehorsam, was mich immer wieder erschreckt.
Eliese und Josie sind durch ihre Familien unterschiedlich aufgewachsen und geprägt, dennoch agieren sie innerhalb dieser Krise gemeinsam und sind sich der Gefahr bewusst, derer sie sich aussetzen. Das Ziel möglichst viele Kinder zu retten schweißt erneut zusammen und gibt einen kleinen Hoffnungsschimmer inmitten dieses Entsetzens.
Der Roman wird in zwei Zeitebenen erzählt und wirkt dadurch sehr lebendig. Ava Drake befindet sich urplötzlich in einer anderen Rolle, als die der Botschafterin. Sie entdeckt das, was wirklich geschehen ist und kann somit inneren Frieden für einige Beteiligte bringen, wobei sie sich nun anderen Gefahren aussetzt, was bedeutet, sich mit ihrer Familie zu entzweien. Die Wahrheit schmerzt und zeigt dennoch, dass der Deckmantel des Schweigens irgendwann zerreißt. Mir hat sehr gefallen, dass nicht nur der Schrecken des Krieges Raum findet, sondern auch Liebe und Freundschaft durch alle Zeiten hindurch. Hier werden viele Menschen präsentiert, die letztendlich zur Rettung vieler beitragen konnten. Erschreckend ist hierbei, das Geld und Reichtum einzelner, zumindest die Gier danach, Menschen zu Verrat herausfordert. Es ist ein klein wenig Judas in harten Zeiten. Um das eigene Überleben zu sichern, liefert man ein oder mehrere Menschenleben aus, ohne mit der Wimper zu zucken. Mich stimmt dieses oftmals nachdenklich, zumal ich mich niemals in solchen Zeiten befunden habe, hoffe ich, das mein Glaube mich stärkt und ich mich nicht für das Böse entscheiden muss, denn nichts anderes ist dieser Verrat in meinen Augen. Habgier und Betrug verschafft zwar Reichtum, zerstört dabei aber Familien und zeigt oftmals auch, das Geld allein nicht glücklich machen kann.
"Erinnerungen aus Glas" ist als Titel äußerst passend gewählt. Auch das Cover ist sehr gelungen dargestellt. Ich habe meine eigenen Assoziationen zu dem Kind an der Hand der jungen Frau, werde diesbezüglich aber nicht näher darauf eingehen, da ich sonst eine der wichtigsten Begebenheiten innerhalb der Story preisgeben würde. Das Ende der Story wird sehr eindrücklich und bewegend, sodass ich mich gedanklich wieder auf das Cover beziehen konnte.
Ich vergebe sehr gerne eine Leseempfehlung, da ich emotional sehr herausgefordert wurde und mich die Story komplett überzeugt hat. Geschichtliche Tatsachen, gepaart mit fiktiven Personen und Begebenheiten sind gut widergegeben und geben Einblicke in eine Zeit, die so hoffentlich nicht wieder erlebt werden muss.