Großes geschichtliches Thema

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hennie Avatar

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Zu meinen Lieblingsgenres gehört die Art Literatur, zu der ich zunächst „Erinnerungen aus Glas“ rechnete (am Ende war es dann doch leider nicht ganz so rund für mich). Es ist die Historie, die auf zwei oder mehreren Zeitebenen spielt, welche mich begeistern kann. Wenn dann noch Familiengeschichte dazukommt, bin ich nicht zu halten.

Im Juni 1933: In den Niederlanden, im kleinen Ort Giethoorn stellen Kinder im Spiel den Widerstandskampf gegen Spanien nach. Josie und Samuel, die Geschwister, und Klaas, der Sohn des Dorfarztes. Sie lernen bald darauf Eliese kennen, ein jüdisches, deutsches Mädchen. Sie ist 10 Jahre alt und mit dem Vater aus Deutschland geflohen und bei einer niederländischen Familie untergekommen. Erst neun Jahre später in Amsterdam erfolgt die nächste Begegnung mit den Protagonisten. Josie und Samuel sind inzwischen tatsächlich im Widerstand. Eliese hat einen kleinen Jungen, der ein Geheimnis bleiben muss. Der Vater heißt William Kingston und befindet sich in Amerika. Sie registriert in der Hollandschen Schouwburg die jüdischen Bürger aus dem Getto, bevor sie von Westerbork aus in die KZs abtransportiert werden. Zufällig trifft sie auf Josie, die im gegenüberliegenden Kinderheim arbeitet. Gemeinsam schmieden sie einen gefährlichen Plan...
75 Jahre später prüft die junge Ava Drake als Direktorin der gemeinnützigen Kingston-Stiftung in Uganda die Hilfsprojekte von Landon West. Unerwartet ergibt sich eine Verbindung zwischen seiner und ihrer Familiengeschichte. Avas darauffolgende Recherchen bringen unfassbare Zusammenhänge ans Licht. Es ist eine Geschichte, die neben familiären Verknüpfungen, die tiefen und verbrecherischen Beziehungen zum Naziregime aufzeigen…

Der Roman umspannt drei Kontinente und umfaßt einen zeitlichen Bogen, der von 1933/1942/1946 bis in die Gegenwart reicht. Bereits zu Beginn der Story wurde ich darauf vorbereitet, dass es massive Spannungen, tiefgreifende Konflikte in der superreichen Kingston-Familie gibt. Geld und Macht spielen immer noch eine große Rolle. Die wohltätige Stiftung ist der Deckmantel für eine ruchlose Vergangenheit.
Es geht schnell, manchmal abrupt zwischen den Kapiteln in den Zeiten hin und her. In den Abschnitten ohne Zwischenüberschriften berichtet Ava aus der Ich-Perspektive. Durch sie wird der zeitliche Bogen von 1942 in die Gegenwart geschlagen. Immer mehr kommt über William Kingston, über sein mächtiges Glasimperium und seine unheilvollen, ungeheuerlichen Verstrickungen mit Hitler-Deutschland ans Tageslicht. Im Wechsel von Vergangenheit und Gegenwart wird über das perfide Tun der Nazis, über ihre perfekte, unmenschlich agierende Maschinerie, um die Juden in die Lager abzutransportieren, berichtet. Ava ist das Bindeglied zwischen den Generationen und ihre Nachforschungen decken große Teile der Wahrheit auf.

Fazit:
„Erinnerungen aus Glas“ war insgesamt interessant zu lesen, aber an einigen Stellen fand ich, dass Melanie Dobson für die 362 Textseiten zu viel gewollt hat! Weniger an verwandtschaftlichen Verstrickungen wäre gut gewesen! Einige Erläuterungen in Glossar-Form hätte ich gut gefunden (Puttkamer-Liste, Lager Westerbork, Ort Giethoorn...)
Was mich verwunderte, war die häufige Ansprache an Gott, die nicht mehr zeitgemäße Ausdrucksweise. In der Vergangenheit und angesichts der unmenschlichen Umstände kann ich das verstehen, aber in der Gegenwart (bei Landon in Uganda) kommen mir die antiquierten, religiösen Formulierungen (bspw. „die Gnade und das Licht Gottes") wie aus der Zeit gefallen vor. Mein Leseeindruck wurde jedoch davon nicht wesentlich beeinträchtigt.