Die Liebe eines Vaters

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Zach Wells ist Vater; er ist auch Ehemann und Professor, aber das ist für ihn eigentlich zweitrangig. Wichtig ist im Grunde nur seine Tochter Sarah. So ist es nicht verwunderlich, dass es ihn völlig aus der Bahn wirft, als ein todbringender Gendefekt bei Sarah diagnostiziert wird und sie innerhalb weniger Monate ihr bisheriges Selbst verliert. Zachs Tochter, wie er sie kannte, existiert nicht mehr.
Um sich abzulenken, beschließt er einem mysteriösen Hilferuf auf einem Zettel nachzugehen, den er in einer auf Ebay gekauften Jacke gefunden hat. Das beginnt bereits als Sarah noch lebt, es ihr noch einigermaßen gut geht und findet den Höhepunkt nach ihrem Tod.
Unterbrochen werden die einzelnen Szenen mit verschiedenen, eingeschobenen Details. Es sind Beschreibung von Knochenfunden, die Zachs Job sind; wie Sarah Gemälde im Louvre wahrnimmt oder einfach Aufzählungen. Was das zu bedeuten hat, hat sich mir nicht erschlossen, einen Zusammenhang habe ich nicht erkannt. Teilweise war es aber interessant.

Percival Everett zeichnet in „Erschütterung“ das Paradebeispiel eines liebenden Vaters, der sich dieser extremen Liebe nur allzu bewusst ist und der an dem Verlust seiner Tochter droht zu zerbrechen. Umso unverständlicher ist es für mich, dass er bereits so akribisch Ablenkung sucht, als es Sarah noch halbwegs gut geht. Bei einem so gezeichneten Charakter hätte ich erwartet, dass er ihr keine Sekunde von der Seite weicht. Das passt für mich nicht. Ansonsten ist der Roman aber stimmig. Seine Verzweiflung und der Wunsch nach Ablenkung ist durchaus nachvollziehbar. Ebenso seine Risikobereitschaft, denn wenn man nichts mehr zu verlieren hat, was soll schon geschehen.
Manchmal schwingen philosophische Betrachtungen mit, kratzen aber nur an der Oberfläche und oft wird versucht Zach mithilfe von Traumsequenzen zu charakterisieren. Was man Percival Everett zu Gute halten muss, ist, dass er das Verschwinden von Frauen thematisiert, was Realität ist und worüber oft genug geschwiegen wird.