Ein langsamer Tod und unerwartete Hilfe

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thirteentwoseven Avatar

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"Erschütterung" von Percival Everett ist ein Buch über ein ernstes und trauriges Thema. Es geht um Professor Zach Wells und seine Frau, die hilflos mit ansehen müssen, wie ihre 12-jährige Tochter an einer schweren
Krankheit langsam dahinsiecht und stirbt. In der schlimmsten Krankheitsphase zieht sich Zach Wells von seiner Familie zurück und geht einem Hilferuf nach, den er eingenäht in einem gebraucht gekauften Hemd gefunden hat. Dieser Hilferuf hilft ihm besser mit dem eigenen Leid umzugehen und nimmt seiner Erschütterung etwas von ihrer Grausamkeit.

Das Buch wird aus der Perspektive von Zach Wells geschrieben. Im ersten Teil, in dem das gediegene und glückliche Leben seiner kleinen Familie geschildert wird, fließen immer wieder kurze Passagen mit Fachchinesisch über alte Knochen ein - Prof. Wells ist Paläontologe. Im zweiten Teil, in dem die Krankheit der Tochter bereits diagnostiert und fortgeschritten ist, sind es die Koordinaten für Schachzüge - Prof. Wells spielt(e) mit seiner Tochter oft Schach. Im letzten Teil sind es lateinische Wörter und Sätze, die jeweils um ein Wort erweitert werden. Prof. Wells geht einem Hilferuf nach und tastet sich Zug um Zug vor und gerät dabei selbst in Lebensgefahr.

Diese Dinge - Beruf, geistige Ablenkung und anderen in Not Geratenen zu helfen, halten das Leben von Prof. Zach zusammen. Auch wenn seine tiefe Liebe zu seiner Tochter und die Verzweiflung über ihr Schicksal im Vordergrund stehen, sind sie die Klammer, die ihm in seiner Erschütterung einen gewissen Halt geben.
An verschiedenen Stellen des Buches wird über Selbstmord gesprochen. Zach bezeichnet ihn als Gipfel des menschlichen Egoismus. Eine junge Kollegin nimmt sich wegen vermeintlichem Versagen das Leben. Für Zach ist diese Möglichkeit keine Option, auch wenn er melancholisch und (sebst)kritisch ist. Insgesamt ist er doch dem Leben und anderen zugewandt.

Fazit:
Das Buch ist geschickt konstruiert. Es ist eindringlich geschrieben und zeigt auf literarische und spannende Weise, wie ein ruhiges und vermeintlich sicheres Leben urplötzlich aus den Angeln gehoben wird. Während das auswegslose Schicksal der Tochter seinem traurigen Ende zusteuert, nimmt die trostlose Situation der gefangenen Frauen durch die Hilfe Zachs eine glückliche Wende. Dem Tod wird durch die Zuwendung zum Leben etwas seiner Grausamkeit genommen.

Obwohl das Buch auf den 2. Blick gar nicht so dunkel und trostlos ist, ist es doch ziemlich schwere Kost. Auch waren die eingeschobenen Passagen für mich zunächst sehr schwer verständlich und irritierend. Deshalb von mir nur 4 Sterne und eine Leseempfehlung für alle die, die sich mit einem Buch wirklich auseinander setzen wollen und nicht nur eine kurze Ablenkung suchen. Für alle, die dies tun wollen, lohnt es sich wirklich.