Elternhände

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"Der nerdige Paläontologe Zach Wells hat sich in seiner selbstironischen Abgeklärtheit bequem eingerichtet. Idealen misstraut er, ob an der Universität oder zu Hause. Einziges Licht in seinem Leben ist die zwölfjährige Tochter Sarah. Als Sarah ihr Sehvermögen verliert und eine erschütternde Diagnose folgt, flieht Zach in die Wüste New Mexicos. Dort geht er einem mysteriösen Hilferuf nach, auf den er in der Tasche einer Second-Hand-Jacke gestoßen ist." (Klappentext)

Der Roman 'Erschütterung' von Percival Everett übersetzt von Nikolaus Stingl ist gestern erschienen. Der Leser folgt einer Vaterliebe, die auf erschütternde Weise an den Punkt kommen muss, an dem es nicht mehr darum geht, den richtigen Weg, den liebevollen, den seinem Kind stets zugewandt zuhörendem zu leben, sondern einzig darum, voller Verzweiflung bangen zu müssen, Vater bleiben zu dürfen.
Wenn Elternhände nicht mehr schützend walten können, muss das schon so unbegreiflich schmerzen, aber wenn das eigene Kind diesen verlorenen Schutz nicht einmal spüren kann, ist dies für mich kaum in Worte zu fassen.
Mit sprachlich bildhafter Tiefe, ohne dabei den Blick auf das leise zerklirrende Geschehen zu verlieren, zeichnet der Autor substantiell die unsäglich lähmende Kraft eines solchen Leides nach. Das Paar verliert sich voller Traurigkeit in einer gemeinsam gelebten Einsamkeit.

"Meg weinte. Ich auch. Aber ich rappelte mich nicht hoch, um mich neben sie zu setzen und sie in die Arme zu nehmen." 137

Einziger Knackpunkt der Geschichte ist, dass es dem Autor nicht gelingt, eine authentische Verbindung zum zweiten Erzählstrang, der Rettung eines anderen Menschen, zu schaffen. Ja, Zach möchte sich irgendwie mit dieser Tat erlösen, eine Art Frieden mit der Welt finden, aber leider fehlt hier eine sinnstiftend magische Brücke - was die Qualität der Erzählstimme in diesem sanft kunstvollen, den Leser erschütternden Roman auf keinster Weise mindert.