Nomen est Omen

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Rezension zu "Erschütterung" von Percival Everett

Der Titel ist bei diesem Roman tatsächlich Programm. Nach einem kurzen selbstironischen, humoristischen Einstieg, der uns die abgeklärte Lebens- und Gefühlswelt des Hauptprotagonisten Zach näher bringt, werden wir auch schon hineingestoßen in das erschütternde Drama rund um seine 12-jährige Tochter Sarah. Diese erkrankt an einem seltenen und unheilbaren Syndrom, welches einen raschen und tödlichen Verlauf nimmt. Die Diagnose erschüttert Zach und seine Frau in den Grundfesten von allem, was sich bis zu diesem Zeitpunkt Leben genannt hat.

Ich denke Jede:r der:die Kinder hat, kann das nur allzu schmerzhaft mitfühlen. Doch als wäre diese hässliche Storyline nicht schon genug, versteht der Autor es leider zu gut mit Worten das auszudrücken, was sich eigentlich fast nur fühlen lässt.
Vor allem die Szenen in denen Zach und seine Frau miteinander versuchen irgendwie mit dieser unvorstellbaren Situation fertig zu werden, nutzt Percival Everett schamlos um auch noch das letzte bisschen Frohmut in seinen Leser:innen zu zermalmen. Jedes Mal wenn ich gehofft habe, dass wir die emotionale Talsohle dieses Romans durchschritten haben, wurde ich eines besseren belehrt und noch tiefer in die depressiven, aussichtslosen Gedanken eines Vaters gezogen, der im Begriff ist den einzigen Grund für sein Dasein, seine geliebte Tochter, zu verlieren.
Ich weiß nicht was der Autor beim Schreiben dieses Texts aufgearbeitet hat, aber man spürt, dass es aus seinem Innersten heraus geschrieben ist und tiefste, schmerzhafteste Empfindungen widerspiegelt. Das ist nicht schön. Aber ich ziehe meinen Hut vor den sprachlichen und stilistischen Fähigkeiten des Autors. Denn das muss einer mal schaffen, solche Emotionen zu transportieren und solche Empfindungen in den Leser:innen auszulösen.

Ich habe fast das Bedürfnis dieses Buch mit einer Triggerwarnung zu versehen. Das hört sich vielleicht krass an, aber ich würde tatsächlich dringend davon abraten dieses Buch zu lesen, wenn man nicht gerade wirklich gefestigt im Leben steht. Es ist so schon schwer genug zu verkraften, weil der Autor psychologisch sehr feinsinnig schreibt und es ausgezeichnet versteht zu beschreiben, wie verzweifelt und machtlos man sich als Eltern in solch einer Situation fühlen mag und wie sinnlos und undenkbar schwer jede Sekunde des Lebens nach einer solchen Diagnose sein muss.

Ich sage das nicht oft, weil ich Bücher liebe, aber ich wäre froh, hätte ich dieses Buch nicht gelesen. Es macht traurig und löst diese Traurigkeit bis zum Schluss eigentlich kaum auf. Es ist wie das Leben. Ungerecht und ohne Happy-End-Garantie.