Spannend, vielschichtig und lange nachhallend

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
edda Avatar

Von

Der Paläontologe Zach Wells führt, wie er zugibt, ein langweiliges Leben mit einer Ehefrau, die er schätzt, einer Tochter, die er liebt und einem sicheren Professorendasein. Er lebt in dieser geordneten Welt dennoch an der Grenze zur Depression. Eines Tages beginnt seine Tochter Sarah ihr Sehvermögen zu verlieren und die darauf folgende Diagnose erschüttert sein bis dahin geruhsames Leben vollständig. Parallel dazu erhält er, versteckt in einem Secondhand - Kleidungsstück einen merkwürdigen Hilferuf.

Im Laufe des Romans lernen wir sein Leben als Vater und Universitätsprofessor kennen. Seine Begegnungen, sein Sich-Einlassen, alles anhand von eingeschobenen Kapiteln, die in sich berührend und auch spannend sind in ihrer Aufrichtigkeit. Während seine Tochter sich mehr und mehr von der Welt abwendet und ihr ferner wird, entscheidet sich Zach dem Hilferuf, versteckt in einem gekauften Kleidungsstück, nachzugehen, seine gesamten Fähigkeiten zu bündeln, um sich auf eine gefährliche und abenteuerliche Reise zu begeben. Er versucht, mit ganzem Einsatz eine Gruppe Frauen, die als Sklaven gehalten werden, in ihre Heimat zurückzuführen. Eine Ungerechtigkeit wieder gut zu machen,

Für ihn die einzige, nicht bis an die Grenzen schmerzende innere Situation, die ein konkretes befreiendes Handeln ermöglicht, in ebenso der Entfernung, die seine Tochter psychisch angetreten hat. Er versucht, nicht nur die Frauen zu retten sondern dadurch auch sich selbst, dem Schicksal, Frieden mit seinem Schmerz abzugewinnen. „Mir kam der Gedanke, dass ich nicht imstande wäre, ihnen klarzumachen dass nicht ich sie rettete, sondern dass sie mich retteten.“

Der Roman stellt die Frage, ob dies möglich ist.

Sarah wird nicht mehr kommunizieren können, so wie es für andere verständlich sein wird.
Percival Everett benutzt ein Stilmittel, wie man am Unverständnis der Kommunikationssignale scheitern kann:
Die eingefügten kurzen Anmerkungen über Fossil- und Gesteinsproben, Schachkürzel, fremdsprachige Aussagen, die nicht übersetzt werden – sie brechen den Kommunikationsfluss ab, irritieren. Ein Nichtverstehen bleibt, über eine Kommunikation, die speziell ist.

Interessant der amerikanische Originaltitel: „Telephone“, der zum Nachdenken über das Kommunizieren anregt.
Der Vater kommuniziert gerne mit der Tochter mittels Schach, er selbst kommuniziert mit Vergangenem, verschiedene auftauchende Frauen kommunizieren direkt, ihn als Mann betreffend. Seine Tochter kommuniziert während ihres Parisaufenthaltes mit den Bildern des Louvres. Die Mexikanerin kommuniziert mittels einer Notiz.

Zach wird im Laufe seiner Reise bewusst falsche Signale einsetzen, um sein Ziel zu erreichen, absolut witzig, intelligent und direkt am Geschehen. wie z.B. die zurückgelassene Information, als er sich scheinbar auf Erdölsuche begab: „Das Auf-Papier-Kritzelnn seltsamer Symbole, Zeichen, die ebenso sinnlos sein wie Sinn tragen konnten, genau wie die rätselhaften Mikrofossilien, die ich als geologische Hinweise auf eine tiefe Geschichte und ein künftiges Geschick handelte.......“

Der Roman ist voller Hinweise, Anspielungen, Gleichnisse - mit einer Leichtigkeit, einer Selbstverständlichkeit und Humor.

Percival Everett ist ein vielschichtiger, auf allen Ebenen intelligenter Roman gelungen, ein zutiefst berührendes Werk, das eindringt und lange nachhallt.
Absolut empfehlenswert – ein wichtiges Stück Literatur.