Der Laufbursche macht die Arbeit, der Denker gießt Blumen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
ismaela Avatar

Von

Mein erster Rex Stout, obwohl ich noch irgendwo einen älteren Fall von ihm Rumliegen habe ("Das Plagiat").
Auf die Neuauflage war ich sehr gespannt, und auf das Thema sowieso ("Kampf gegen das übermächtige FBI"). Die tatsächliche Geschichte hat mich dann aber doch etwas ernüchtert, und das lag vor allem am Hauptprotagonist (nämlich Nero Wolfe).

Dass es bei einem detektivischen Zweiergespann immer der Laufbursche ist, der erzählt, um den großen Denker in seiner Grandiösität darzustellen, reisst mich mittlerweile nicht mehr vom Hocker, wenn denn der große Denker ein solcher ist, und die Geschichte am köcheln hält. Das ist bei Nero Wolfe nicht der Fall. Er besitzt zwar einen scharfen Verstand, aber seine Aktionen bestehen einzig und allein darin zu essen und seine Blumen zu gießen. Sein Wesen bzw. Verhalten ist arrogant, hochnäsig, bis hin zu weinerlich-zickig, wenn es darum geht, sich körperlich zu betätigen. Was Wolfe ohnehin nicht - oder nur extrem eingeschränkt - tut. Die komplette Laufarbeit, Recherche, Telefonate etc. wird von seinem Untergebenen Archie Goodwin erledigt, der sich die Sohlen durchläuft, sich prügelt, kombiniert usw. usf., anschließend alles seinem Boss berichtet, woraufhin dieser die losen Fäden verknüpft.

"Es klingelte an der Tür" war Stouts erfolgreichster Roman um Nero Wolfe, in dem der Autor seine Abneigung gegenüber staatlicher Macht und Kontrolle in einen Fall einfließen lässt, in der es Goodwin gelingt, das FBI auszutricksen, sodass ganz zum Schluss sogar Hoover höchstselbst an der Tür klingelt (die ihm aber natürlich nicht geöffnet wird). Das Ganze wirkte auf mich recht lächerlich. Zwar sind die Verknüpfungen und Pläne gut durchdacht und in sich schlüssig (man muss aber ziemlich aufmerksam lesen!), aber dass sich eine mächtige Organisation wie das FBI von zwei kleinen Fischchen wie Wolfe und Goodwin so vorführen lässt, wie in diesem Fall, ist doch SEHR hanebüchen. Nicht, dass es unmöglich wäre - aber dann braucht es schon ein bisserl mehr, als zwei konfiszierte Dienstausweise.

Was das Ganze rausreißt, ist die wirklich tolle Neuübersetzung. Sowohl der Schreibstil, als auch die Dialoge haben mich wirklich glücklich gemacht.
Deshalb: obwohl der Hauptdetektiv absolut entbehrlich wäre - zumindest in diesem Fall - lohnt sich das Lesen, wenn man auf geschliffene Sprache steht.