Ein Stubenhocker als Privatdetektiv

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Rachel Bruner, eine wohlhabende ältere Dame der New Yorker Elite, kauft zehntausend Exemplare eines, ihrer Meinung nach zu wenig beachteten, Buches und verschickt es landesweit. Eigentlich kein Problem könnte man meinen. Da es sich jedoch um ein Enthüllungsbuch rund um das FBI handelt, fühlen sich die Herrschaften des Geheimdienstes wohl auf den Schlips getreten. Und so wird die - vermeintlich harmlose - Aktion für die exzentrische Dame zum Problem, denn nun werden sie selbst, ihre Familie und enge Vertraute vom FBI überwacht. Ein Ärgernis, das Bruner nicht hinnehmen mag. Sie wendet sich an den berühmten New Yorker Privatdetektiv Nero Wolfe, der sich mit einem Scheck über 100 000 Dollar erweichen lässt, sich der Situation anzunehmen.

Der Klett-Cotta Verlag hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Werke eines der erfolgreichsten amerikanischen Kriminalautoren Rex Stout neu zu verlegen. Den Anfang macht "Es klingelte an der Tür", dessen Neuübersetzung in einem wunderschönen und wertigen Cover daherkommt. Besonders die Leinenoptik und die damit verbundene besondere Haptik des Buches machen einiges her und sind wohl ein echte Hingucker im Bücherregal.

Die ersten Seiten des Buches haben mich begeistert, eine interessante Story gepaart mit scheinbar recht exzentrischen Charakteren schienen eine gute Grundlage für eine spannende und unterhaltsame Kriminallektüre. Doch schon nach wenigen Seiten fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Der groß angekündigte Detektiv Nero Wolfe ermittelt gar nicht selbst. Sämtliche Arbeit wird von seinem "Assistenten" Archie Goodwin geleistet. Wolfe selbst kümmert sich scheinbar primär um das Essen (sehr lecker!), die Bezahlung (Wolfes Primärinteresse) und kleine Audienzen der betroffenen Akteure. Die müssen aber natürlich zum Meister kommen, der bewegt sich wohl keinesfalls nach draußen. So bleibt die klassische Arbeit eines Privatdetektivs an Archie hängen, aus dessen Sicht die Geschichte auch erzählt wird. Zum Glück möchte man meinen, sonst würde der Leser von den Ermittlungen wohl rein gar nichts erfahren.

Wie man vielleicht merkt, war ich von "Es klingelte an der Tür" enttäuscht. Ich hätte mir einen kauzigen Privatdetektiv erhofft, der dem FBI auf die Füße tritt. Bekommen habe ich einen Stubenhocker, der alle Arbeit seinen Assistenten verrichten lässt. Der einzige Protagonist, zu dem ich ansatzweise ein Bild vor Augen habe, ist und bleibt Archie. Eine wirkliche Beziehung baut man meiner Meinung nach auch zu ihm nicht auf. Tatsächlich fand ich den Fall dann letztlich auch nicht so spannend, obwohl Archies Ermittlungsarbeit durchaus sehr gut war.

"Es klingelte an der Tür" ist, meines Wissens nach, nicht der erste Band der Reihe. Möglicherweise hat mir dieser Umstand die Lektüre zusätzlich erschwert. Leider blieb das Buch insgesamt hinter meinen Erwartungen zurück. Nach diesem Werk kann ich den damaligen Hype um Rex Stout nicht verstehen - und das obwohl das Thema Geheimdienste gerade aktuell ist wie nie.
Ich würde Stout vielleicht noch mal eine Chance geben, da das Buch insgesamt gut zu lesen war, vielleicht hat man mehr von der Lektüre, wenn man die vorherigen Bände der Reihe kennt. In der aktuellen Lage würde ich "Es klingelte an der Tür" wohl eher Fans von Rex Stout empfehlen.