Eine Zeitreise

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botte05 Avatar

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Bevor ich in dieses Buch eintauche, muss ich mir vergegenwärtigen, dass Rex Stout seinen berühmten Privatermittler Nero Wolfe im Jahre 1965 mit dem vorliegenden Fall betraut hat. Wer würde heute einen Detektiv auf das FBI ansetzen, damit es einen nicht mehr beobachtet? Heute muss man ja schon fast beunruhigt sein, wird man nicht ausgespäht. Aber das ist eine andere Geschichte…

Nachdem die exzentrische Rachel Bruner zehntausend Exemplare eines Enthüllungsbuches über das FBI landesweit verschickt hat, befindet sie sich unter strikter Beobachtung dieser Organisation. So wendet sie sich an den Besten der Branche: Nero Wolfe. Wie sollte er ihr jedoch helfen können? Das soll sich finden und Mr. Wolfe nimmt den Auftrag an.

Im Zuge der Recherchen stößt das Team auf einen ungelösten Mordfall, welcher dem Augenschein nach dem FBI zuzurechnen ist. Soll Wolfe zur Lösung dieses Falles, welcher eine gewisse Schnittmenge zur aktuellen Ermittlungsarbeit für Mrs. Bruner eröffnet, beitragen? Wie umgeht man verwanzte Telefone und Räume, wenn man nicht weiß, wie weit die Technik in Abhörfragen gediehen ist?

Zunächst war ich etwas enttäuscht von diesem Buch. Durch die Neuübersetzung ist die Sprache unserer heutigen Zeit angepasst. Ich würde vermuten, dass die ursprüngliche Übersetzung eine andere, verschnörkelte Sprachführung aufweist, was dem Leser die Zeitreise leichter bewerkstelligen lässt. Auch hatte ich eine völlig andere Vorstellung von Wolfes Ermittlungsarbeit. Die Handlung wird aus der Ich-Perspektive von Wolfes Assistenten Archie Goodwin erzählt, der scheinbar die eigentliche Arbeit macht. Und trotzdem werde ich zur Mitte des Buches eingefangen von der Stimmung, bewundere die eher stille und oft auch „nur“ gedankliche Arbeit, welche letztlich zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führen wird.

Das Buch kommt im Format eines Taschenbuches daher, wirkt jedoch durch seinen klassischen Leineneinband hochwertig. In seinem Nachwort eröffnet Jürgen Kaube einen Blick in die Zeit, zu der dieses Buch von Rex Stout geschrieben wurde. Dies mag dem einen oder anderen den Kontext und die Wertigkeit der Geschehnisse in einem anderen Licht erscheinen lassen. Als kleine „Zugabe“ befindet sich am Ende des Buches ein Abdruck von Notizen aus dem „Rex-Stout-Archiv“ (ursprünglich nicht zur Veröffentlichung gedacht), worin der Autor seinen Protagonisten und dem Spieltort „Wolfes Büro“ Leben einhaucht.

Im vorliegenden Buch handelt es sich für mich um einen soliden, klassischen Kriminalroman, welcher ohne Radau und Spezialeffekte den Leser in seinen Bann zieht. Die gedankliche Ermittlungsarbeit lässt mich als Leser etwas außen vor, so dass auch ich erst im von Wolfe als passend gewählten Augenblick der Lösung näher komme.


Rezension: Rex Stout, Es klingelte an der Tür, Kriminalroman, Klett-Cotta Verlag, Gebundene Ausgabe, 247 Seiten, 15,00 €, Erscheinungsdatum: 11.03.2017