Märchenhaft unmärchenhaft
Liebe in so vielen Facetten: die erste Liebe, die platonische Liebe, die unerwiderte Liebe, die mütterliche Liebe, die wiederbelebte Liebe, die enttäuschte Liebe, die immerwährende Liebe …
So viele Arten von Liebe finden sich in Syd Atlas‘ Roman „Es war einmal in Brooklyn“, trotzdem schafft sie es, weder kitschig noch märchenhaft zu klingen. Die ehrliche Liebe wird hier thematisiert mit Höhen und Tiefen, mit Hindernissen, mit Fehlern, Schmerz und Trauer.
Insbesondere mit dem Märchenhaften, der märchenhaften Liebe kokettiert Atlas. Damit beginnt sie schon beim Titel. Sie evoziert die Vorstellung an eine große Liebesgeschichte, bricht aber mit diesem Bild bereits im ersten Kapitel. Sie lässt den zu der Zeit wütenden mehrfachen Frauenmörder Son of Sam zu Wort kommen. Mal zeigt sie Optionen auf, wie eine Figur in einer Situation reagieren könnte, und wählt dann die schlechtmöglichste, aber menschlichste davon aus, sodass die große Liebe weiter unerreichbar scheint. Mal bricht sie mit den Erwartungen der Leser*innen an eine Liebesgeschichte, indem sie ein ganzes Kapitel revidiert und so die Figuren und Leser*innen aus einem Traum wachrüttelt. Und dann haben wir natürlich den todkranken Jungen David, bei dem allein aufgrund seiner Prognose ein „Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage…“ sehr unwahrscheinlich ist.
„David wird bewusst, dass er sich bezüglich seiner Lovestory mit Juliette vielleicht verkalkuliert hat. Er ist immer davon ausgegangen, das Mädchen im dritten Akt zu bekommen, wird aber möglicherweise feststellen müssen, dass es sich um eine Kurzgeschichte handelt.“
Alles beginnt mit einer starken Freundschaft zwischen David und Juliette, beide sind seit Kindheitstagen miteinander verbunden. Sie gehen durch dick und dünn, planen ihre gemeinsame Zukunft, ihr erstes Mal. Diese Idylle währt jedoch nicht lange. Davids Krankheit Leukämie verändert von heute auf morgen alles. Seine Welt schrumpft auf die Wohnung, dann auf sein Zimmer zusammen. Jules stellt seine einzige Verbindung zur Außenwelt dar, er ist auf sie angewiesen. Daher wundert es nicht, dass seine Gefühle für sie wachsen, er spricht gar von Seelenverwandtschaft. Jules hingegen, deren Leben durch David zum Stillstand gekommen ist, fühlt sich mehr denn wie eine Ertrinkende. Erst der sexy, selbstbewusste Rico wiederbelebt sie. Jules Zerrissenheit zwischen Freundschaft und diesem Gefühl der ersten großen Liebe, dem Gefühl begehrt zu werden und dass etwas Größeres auf sie wartet, führt sie während des Blackouts zu einer Entscheidung.
Bei den ersten beiden Teilen des Romans hatte ich überwiegend das Gefühl, einen Jugendroman in Händen zu halten, die erste große Liebe, Eifersucht, dumme Taten etc. Wäre es das nur gewesen, hätte ich das Buch weggelegt und abgehakt, aber Atlas gewährt uns Einblicke in weitere Figuren. Wir erfahren von der verblassten Liebe von Jules Eltern, der starken Liebe auch in schweren Zeiten von Davids Eltern, der Selbstliebe von Rico und dem Sichliebenlernen von George, Jules Bruder. Atlas zeigt uns ohne Rührseligkeit auf, wie unterschiedlich Geliebte miteinander umgehen, dass eine lange glückliche Ehe nicht selbstverständlich ist, sie Widrigkeiten trotzen und sich dafür jeden Tag einsetzen muss. Dass Hass und Liebe nah beieinander liegen.
Am spannendsten fand ich den dritten Teil nach dem Blackout, der die Auswirkungen dieser Nacht offenbart – erst unmittelbar, dann auch wie sie auf die mittlerweile 10 Jahre älteren Juliette einwirken. Atlas beschreibt sehr gefühlvoll, was passiert, wenn man seine Gefühle einfriert, sich abwendet (von sich selbst und seinen Freunden) – ein Leben ohne zu leben? Sie vermittelt aber auch, dass es einem gelingen kann, sich zu öffnen und um Verzeihung zu bitten.
Irritiert haben mich die Episode um den Blackout und den Einbezug des Serienkillers, bei dem einen hätte ich mehr Geschichte und Hintergrund erwartet, bei dem anderen eine Erklärung bzw. eine Verbindung.
Fazit
Ein hervorragendes Spiel mit den Erwartungen der Leserschaft an eine große märchenhafte Liebesgeschichte. Nicht überragend, aber sehr gefühlvoll und treffend jugendlich beschrieben.
So viele Arten von Liebe finden sich in Syd Atlas‘ Roman „Es war einmal in Brooklyn“, trotzdem schafft sie es, weder kitschig noch märchenhaft zu klingen. Die ehrliche Liebe wird hier thematisiert mit Höhen und Tiefen, mit Hindernissen, mit Fehlern, Schmerz und Trauer.
Insbesondere mit dem Märchenhaften, der märchenhaften Liebe kokettiert Atlas. Damit beginnt sie schon beim Titel. Sie evoziert die Vorstellung an eine große Liebesgeschichte, bricht aber mit diesem Bild bereits im ersten Kapitel. Sie lässt den zu der Zeit wütenden mehrfachen Frauenmörder Son of Sam zu Wort kommen. Mal zeigt sie Optionen auf, wie eine Figur in einer Situation reagieren könnte, und wählt dann die schlechtmöglichste, aber menschlichste davon aus, sodass die große Liebe weiter unerreichbar scheint. Mal bricht sie mit den Erwartungen der Leser*innen an eine Liebesgeschichte, indem sie ein ganzes Kapitel revidiert und so die Figuren und Leser*innen aus einem Traum wachrüttelt. Und dann haben wir natürlich den todkranken Jungen David, bei dem allein aufgrund seiner Prognose ein „Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage…“ sehr unwahrscheinlich ist.
„David wird bewusst, dass er sich bezüglich seiner Lovestory mit Juliette vielleicht verkalkuliert hat. Er ist immer davon ausgegangen, das Mädchen im dritten Akt zu bekommen, wird aber möglicherweise feststellen müssen, dass es sich um eine Kurzgeschichte handelt.“
Alles beginnt mit einer starken Freundschaft zwischen David und Juliette, beide sind seit Kindheitstagen miteinander verbunden. Sie gehen durch dick und dünn, planen ihre gemeinsame Zukunft, ihr erstes Mal. Diese Idylle währt jedoch nicht lange. Davids Krankheit Leukämie verändert von heute auf morgen alles. Seine Welt schrumpft auf die Wohnung, dann auf sein Zimmer zusammen. Jules stellt seine einzige Verbindung zur Außenwelt dar, er ist auf sie angewiesen. Daher wundert es nicht, dass seine Gefühle für sie wachsen, er spricht gar von Seelenverwandtschaft. Jules hingegen, deren Leben durch David zum Stillstand gekommen ist, fühlt sich mehr denn wie eine Ertrinkende. Erst der sexy, selbstbewusste Rico wiederbelebt sie. Jules Zerrissenheit zwischen Freundschaft und diesem Gefühl der ersten großen Liebe, dem Gefühl begehrt zu werden und dass etwas Größeres auf sie wartet, führt sie während des Blackouts zu einer Entscheidung.
Bei den ersten beiden Teilen des Romans hatte ich überwiegend das Gefühl, einen Jugendroman in Händen zu halten, die erste große Liebe, Eifersucht, dumme Taten etc. Wäre es das nur gewesen, hätte ich das Buch weggelegt und abgehakt, aber Atlas gewährt uns Einblicke in weitere Figuren. Wir erfahren von der verblassten Liebe von Jules Eltern, der starken Liebe auch in schweren Zeiten von Davids Eltern, der Selbstliebe von Rico und dem Sichliebenlernen von George, Jules Bruder. Atlas zeigt uns ohne Rührseligkeit auf, wie unterschiedlich Geliebte miteinander umgehen, dass eine lange glückliche Ehe nicht selbstverständlich ist, sie Widrigkeiten trotzen und sich dafür jeden Tag einsetzen muss. Dass Hass und Liebe nah beieinander liegen.
Am spannendsten fand ich den dritten Teil nach dem Blackout, der die Auswirkungen dieser Nacht offenbart – erst unmittelbar, dann auch wie sie auf die mittlerweile 10 Jahre älteren Juliette einwirken. Atlas beschreibt sehr gefühlvoll, was passiert, wenn man seine Gefühle einfriert, sich abwendet (von sich selbst und seinen Freunden) – ein Leben ohne zu leben? Sie vermittelt aber auch, dass es einem gelingen kann, sich zu öffnen und um Verzeihung zu bitten.
Irritiert haben mich die Episode um den Blackout und den Einbezug des Serienkillers, bei dem einen hätte ich mehr Geschichte und Hintergrund erwartet, bei dem anderen eine Erklärung bzw. eine Verbindung.
Fazit
Ein hervorragendes Spiel mit den Erwartungen der Leserschaft an eine große märchenhafte Liebesgeschichte. Nicht überragend, aber sehr gefühlvoll und treffend jugendlich beschrieben.