Aufschlussreich

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mike nelson Avatar

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Aufschlussreich. Mit wiederentdeckten Werken ist das so eine Sache. Im Kontext des Zeitpunktes ihrer Erstveröffentlichung mögen sie durchaus etwas Herausragendes darstellen, indem sie beispielsweise mit Hilfe der Form des Romans eine gesellschaftliche Situation kritisch- entlarvend beschreiben oder eine Protagonistin wählen, die einiges infrage- oder sogar auf den Kopf stellt. Und ich glaube, dass man so auch an Ursula Parrotts Roman "Ex-Wife" aus dem Jahr 1929 herangehen sollte. Beschrieben wird die absolute männliche Dominanz im Verhältnis der Geschlechter - sie haben das Sagen und das Recht sich innerhalb der Ehe durchaus andere Partnerinnen wählen zu dürfen. Umgekehrt gilt dieses Recht nicht, wäre Scheidungsgrund. In der erzählten Geschichte ist die Hauptperson Patricia zwar durchaus priviligiert und selbstbewusst, raucht und trinkt Unmengen, geht auf Partys, amüsiert sich, leidet aber gleichwohl unter ihrer Trennung von ihrem Mann Paul - eine starke Einbuße für ihr Selbstwertgefühl, versucht lange Zeit wieder seine Anerkennung zurückzugewinnen, bevor sie sich einer neuen Liebe zuwendet. Und doch gibt es nach meiner Auffassung Parallelen in dem Verhältnis der Geschlechter in der Gegenwart, weshalb es doch manchmal nicht ganz so verkehrt ist, sich einem wiederentdeckten Werk zu widmen. Der Roman ist konsequent in der Ich-Form erzählt und offenbart die Gedankenwelt einer Frau, die ständig bemüht ist, im Spannungsfeld zwischen Bindung und Unabhängigkeit ihre eigene Identität zu finden, statt sich lediglich auf ihre Rolle als 'Frau von...' zu beschränken. Durchaus lesenswert.