Erschreckend aktuell
"Ex-Wife" von Ursula Parrot erschien erstmals im Jahr 1929 - also vor knapp 100 Jahren. Erzählt wird die Geschichte von Patricia, einer modernen Frau, die mit gerade einmal 24 Jahren von ihrem Ehemann verlassen wird. Wie der Titel bereits vermuten lässt, wird dieses Verlassen-Worden-Sein zu einem zentralen Element ihrer Identität. Patricia zieht zu Lucia, die ebenfalls eine Ex-Wife ist, und beginnt, sich bestmöglich in ihrem neuen Leben einzurichten. Sie geht auf Parties, hat One-Night-Stands, macht Karriere, lebt im Luxus. Doch lange Zeit behält ihr Ex-Mann einen Platz in ihrem Herzen.
In langen Gesprächen mit Lucia analysiert Patricia das Dasein von Ex-Wifes und der gesellschaftlichen Stellungen von Frauen im Allgemeinen. In einem dieser Gespräche definiert Lucia Patricia folgendermaßen:
"«Im Augenblick, Pat, bist du in Klasse zwei. […] Klasse zwei bedeutet, ›Die Liebe ist vorbei, es bleibt … sich auf Abenteuer einzulassen‹. Das folgere ich aus deiner Vor-Frühstücksstimmung und deinem Plan, so viele Männer zu küssen, dass du vergisst, wie dein Ehemann war.«" (S. 112 f.)
Der Roman liest sich gut und auch wenn von Zeit zu Zeit der Sprachstil oder die Wortwahl erkennen lässt, dass beinahe ein Jahrhundert vergangen ist, seit er geschrieben wurde, wirkt er dennoch nicht altbacken. Was erschreckend ist. Im bereits zitierten Gespräch spricht Lucia auch über die gesellschaftliche Entwicklungen, die sie im Bezug auf die weibliche Lust und Sexualität erwartet:
"«[…] Aber ich glaube, die Keuschheit hat sich wirklich davongemacht, als die Verhütung Einzug hielt. Wenn es keine ›Konsequenzen‹ gibt – dann ist sie einfach nicht wichtig. Die Vorstellung der Menschen – ihre Ansichten über Affären – ändern sich gerade enorm. Und ihre Vorstellungen hinken ihrem Verhalten – ihren Erfahrungen – eine halbe Generation hinterher.»! (S. 113)
Man muss nur an den Begriff des Slut-Shamings denken, um zu erkennen, dass Lucias Hoffnungen leider nicht in Erfüllung gegangen sind.
Der deutschen Ausgabe ist ein Vorwort von Mareike Fallwickl vorangestellt, in dem sie bemerkt, dass es sich keinesfalls um einen feministischen Roman nach heutigem Verständnis handelt. Dazu wird die Rolle der Frau zu wenig hinterfragt. Ich bin dennoch der Überzeugung, dass "Ex-Wifes" es wert ist, gelesen zu werden. Und sei es nur, weil es sich um eine Autorin handelt, die lange Zeit in Vergessenheit geraten war und es wichtig ist, sich auch an die Frauen zu erinnern, die geschrieben haben.
In langen Gesprächen mit Lucia analysiert Patricia das Dasein von Ex-Wifes und der gesellschaftlichen Stellungen von Frauen im Allgemeinen. In einem dieser Gespräche definiert Lucia Patricia folgendermaßen:
"«Im Augenblick, Pat, bist du in Klasse zwei. […] Klasse zwei bedeutet, ›Die Liebe ist vorbei, es bleibt … sich auf Abenteuer einzulassen‹. Das folgere ich aus deiner Vor-Frühstücksstimmung und deinem Plan, so viele Männer zu küssen, dass du vergisst, wie dein Ehemann war.«" (S. 112 f.)
Der Roman liest sich gut und auch wenn von Zeit zu Zeit der Sprachstil oder die Wortwahl erkennen lässt, dass beinahe ein Jahrhundert vergangen ist, seit er geschrieben wurde, wirkt er dennoch nicht altbacken. Was erschreckend ist. Im bereits zitierten Gespräch spricht Lucia auch über die gesellschaftliche Entwicklungen, die sie im Bezug auf die weibliche Lust und Sexualität erwartet:
"«[…] Aber ich glaube, die Keuschheit hat sich wirklich davongemacht, als die Verhütung Einzug hielt. Wenn es keine ›Konsequenzen‹ gibt – dann ist sie einfach nicht wichtig. Die Vorstellung der Menschen – ihre Ansichten über Affären – ändern sich gerade enorm. Und ihre Vorstellungen hinken ihrem Verhalten – ihren Erfahrungen – eine halbe Generation hinterher.»! (S. 113)
Man muss nur an den Begriff des Slut-Shamings denken, um zu erkennen, dass Lucias Hoffnungen leider nicht in Erfüllung gegangen sind.
Der deutschen Ausgabe ist ein Vorwort von Mareike Fallwickl vorangestellt, in dem sie bemerkt, dass es sich keinesfalls um einen feministischen Roman nach heutigem Verständnis handelt. Dazu wird die Rolle der Frau zu wenig hinterfragt. Ich bin dennoch der Überzeugung, dass "Ex-Wifes" es wert ist, gelesen zu werden. Und sei es nur, weil es sich um eine Autorin handelt, die lange Zeit in Vergessenheit geraten war und es wichtig ist, sich auch an die Frauen zu erinnern, die geschrieben haben.