Perfektes Timing

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owenmeany Avatar

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Außerordentlich niveauvolle Krimis sind nicht nur spannend, sondern können durchaus Abbilder der Realität sein, die Aufschluss gibt über die menschliche Natur. Das müssen sie aber nicht unbedingt mit all ihrem Spiel um Rätsel und deren Auflösung, um Irrwege und Sackgassen im Laufe der Ermittlung bis zum hoffentlich überraschenden Ende mit heilsamem Aha-Effekt. Ich lasse mich gerne darauf ein, wenn der Verfasser dieses Spiel geschickt einfädelt und mich als Leser respektiert, anstatt mir eine unglaubwürdige Räuberpistole aufzutischen.

In diesem Sinne goutierte ich über lange Strecken das Buch "Fake" voller Genuss und ließ mich einnehmen von der sympatischen Ich-Erzählerstimme, die sich mehr und mehr im circulus vitiosus windet, wo alle Tatsachen so auf den Kopf gestellt werden, dass niemand mehr seinen Wahrnehmungen traut. Den Kunstgriff mit der wechselnden Erzählperspektive, einmal als "ich" und einmal als "er, Patrick" nahm ich einstweilen so hin.

Dass das vorangestellte Kapitel ein starke Bedeutung haben wird für den Krimi, behielt ich die ganze Zeit über im Hinterkopf, fieberte mit, als Patrick Schlag auf Schlag weiter in die Verdammnis trieb, und atmete auf mit dem Erscheinen des prominenten Rechtsanwalts und dem damit verbundenen Hoffnungsschimmer des zu Unrecht Verdächtigten.

Wohlgemerkt halte ich es auch für legitim, wenn der Autor einen Plot mit überraschenden Wendungen konstruiert. Ohne spoilern zu wollen, kann ich aber nicht verhehlen, dass ich mich nicht ernst genommen fühle, wenn die Brüche zu abrupt erfolgen und ich denken muss, jetzt werde ich auf den Arm genommen. So etwas kann mir im nachhinein ein durchaus gekommt geschriebenes Buch vermiesen. Ernstzunehmende Krimischriftsteller wie George, Mankell, Nesbø und viele andere mehr haben das nicht nötig.