Harry Potter trifft auf Animox: Hochspannung zum Schluss, aber wenig einnehmende Hauptfiguren

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gluexklaus Avatar

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„Eine ungeheure Energie schoss durch Kendricks Adern und versetzte jede Zelle seines Körpers in Schwingung. Kendrick fühl­te sich, als würde er auseinandergenommen und neu zusammen­ gesetzt. Allerdings verspürte er keine Schmerzen. Im Gegenteil, er hatte nie etwas Angenehmeres erlebt. Es fühlte sich richtig an.“

Der dreizehnjährige Kendrick geht seit diesem Schuljahr an die Mount Avelston School. Sein Vater ist dort der neue Headmaster, der Schulleiter. Das macht es für Kendrick, der adlige Vorfahren hat, natürlich auf der Schule nicht gerade leicht. Sein Mitschüler Clarence Dippdale und dessen Freunde provozieren ihn permanent. Die Mount Avelstone School ist eine ganz besondere Schule: Die Internatsschüler, die im weißen Flügel der Schule wohnen, pflegen eine jahrelange Feindschaft zu den Bewohnern des schwarzen Flügels. Als Kendrick seinen Mitschülerinnen heimlich auf den nahe gelegenen Falcon Peak folgt, macht er eine erstaunliche Beobachtung. Die Mädchen können sich in verschiedene Vögel verwandeln. Und damit nicht genug: Kendrick erfährt, dass auch seine Mutter zu den „Aves“ zählte und die Gestalt eines Falken annehmen konnte. Kendricks Lehrerin ist fest davon überzeugt, dass auch Kendrick ein Vogelwandler ist. Es stellt sich heraus, dass sie Recht behalten soll....

Autor Heiko Wolz schreibt gut verständlich, aber auch mitunter ein wenig „ausladend“, was recht gut zur magischen, mystischen Thematik passt. Ich würde das Lesealter bei zehn Jahren ansetzen. Die vielen englischen Ausdrücke erschweren jüngeren Kindern möglicherweise das flüssige Lesen.

Die Charaktere in „Falcon Peak“ haben sehr viel Potential. Menschen, die zu Vögeln werden können, das ist unheimlich faszinierend. Schon allein dieser Umstand macht die Figuren reizvoll. Leider wurde dieser Vorteil nach Meinung meiner Kinder und mir nicht genutzt. Ja, Kendrick und seine Mitschülerinnen haben es nicht leicht, sie befinden sich in der Pubertät, haben mit sich, dem Erwachsenenwerden und den Herausforderungen des Lebens als Aves zu kämpfen. Kendrick hat früh seine Mutter verloren, er hat Schwierigkeiten, sich anzupassen, fühlt sich in seiner Haut nicht wohl, wirkt heimatlos. Dass er sich im Umgang mit anderen nicht unkompliziert und gefällig gibt, ist verständlich. Leider war er uns auch sonst nicht recht angenehm, er blieb uns weitestgehend fremd. Ebenso erlebten wir seine Mitschülerinnen, ob es die überaus ehrgeizige Ivy ist, die besessen von der Vorstellung ist, etwas Besonderes zu sein oder die provokante Sienna, die nicht immer fair spielt. Uns war keine der Hauptfiguren richtig sympathisch und daher konnten wir uns nicht so in die Geschichte hineinversetzen, wie wir uns das gewünscht hätten. Die zahlreichen durchaus netten Nebenfiguren wie Bahar, Scarlett, Kelly, Amber oder Chloe waren für uns zudem schwer voneinander zu unterscheiden.

Das Setting der Reihe ist durchaus interessant. Ein Internat auf einer Burg, verfeindete Schüler aus verschiedenen Wohntrakten, das erinnert stark an Harry Potter. Menschen, die sich in Tiere verwandeln gibt es ebenso auch in anderen Reihen, z.B. in Animox. Der Traum vom Fliegen ist ein ganz besonderer, den jeder wohl schon einmal hatte. Für Kendrick wird er Wirklichkeit. Die Grundidee des Buchs ist gut, aber nicht neu, die Handlung ebensowenig. Gerade zum Schluss beim aufregenden Finale von „Wächter der Lüfte“ kommt zwar extreme Spannung auf, aber durchgehend fesseln und überzeugen konnte uns die Geschichte leider nicht. Uns fehlte das Mitfiebern mit den Hauptfiguren, die sich selbst und ihren eigenen Erfolg oft zu wichtig nehmen und dabei das Zusammenwirken mit anderen zu vergessen scheinen. Zu einem richtigen Abenteuer gehören für uns „richtige“ Helden. Bleibt zu hoffen, dass sich die Charaktere in den Fortsetzungen noch zu solchen entwickeln.