Gut geklaut ist auch nicht schlimm?

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laberlili Avatar

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Auch in diesem Fall finde ich die Altersempfehlung von 8 Jahren recht hoch angesetzt; dieses Buch kann man ganz gut auch schon 5Jährigen vorlesen und weiterhin ist es eben ein ganz nettes Buch zum ersten Selberlesen: Die Illustrationen sind toll, da ist das Buch wirklich gut gemacht, und die Geschichte ist auch recht unterhaltsam. Für mich krankt sie allerdings ein wenig daran, dass die Familie von Stibitz wirklich ausschließlich vom Stibitzen, sprich: von Diebstahl, lebt; zwar gibt es im Vorfeld einen Hinweis, dass man das mit dem Stibitzen lieber unterbleiben lässt, weil es zum Einen nicht nett ist und zum Anderen den Dieb ins Gefängnis bringen kann, aber es war halt wie eine der obligatorischen „Bitte nicht nachmachen“-Einblendungen im Fernsehen – ja, vielen Dank auch, liebes Privatfernsehen, sonst würde ich gleich versucht haben, auch mal ein brennendes Messer zu schlucken. Aber auch, wenn euer Moderator das mit einem „Liebe Kinder…“ nochmals explizit sagt, fragt das fünfjährige Kind neben mir dennoch: „Warum? Ist das gefährlich? Der Typ da macht das doch auch ganz einfach?“
In diesem Fall ist zumindest die Stibitz-Oma tatsächlich im Kittchen gelandet, was kurz erwähnt wird, aber das mag in Kinderohren auch eher nach Urlaub klingen; zumindest las sich diese Szene in diesem Buch nicht so als solle man sein Bestes tun, zu vermeiden, im Knast zu landen.
„Stibitzen“ klingt ja auch eher niedlich und harmlos, eher nach „ich klau dir beim Essen ein Pommesstäbchen vom Teller“, was in dieser Geschichte zweifelsohne eine Pfui-Stibitzerei wäre: Ja, die Familie von Stibitz unterteilt in Hui- und Pfui-Stibitzereien, wobei eine lobenswerte Hui-Stibitzerei dann schon Dinge meint wie: „Ich bin wo eingebrochen und hab den Flat-TV geklaut.“

Der kleine Ture ist das schwarze Schaf der Familie, denn er mag nicht klauen und findet außerdem den Nachbarn, der noch dazu Polizist ist, sehr sympathisch. Im „Riesenlolli-Raub“ stellt sich letztlich heraus, dass man mit Ehrlichkeit und Freundlichkeit auch seine Ziele erreichen bzw. seine Wünsche verwirklichen kann; da gibt es also eine Moral von der Geschicht‘, aber das unmoralische Verhalten wird im Gegenzug eben nicht wirklich niedergemacht, weswegen die moralische Aussage für mich nicht so richtig herausgehoben wurde. Da gibt es hier also durchaus noch Diskussionspotential.
„Der Riesenlolli-Raub“ ist zwar nun der Auftakt einer Reihe, von daher ist einerseits zu erwarten, dass nicht gleich alle kriminellen Mitglieder der Familie einfahren, aber andererseits ist das so ziemlich das, was auch den Panzerknackern in den Lustigen Taschenbüchern eigentlich prinzipiell widerfährt; machbar wäre es also schon.

Wie gesagt: Die comichaften Illustrationen sind super, das Buch ist sehr unterhaltsam und durchaus auch spannend, da man eben während der ganzen Zeit mitfiebern kann, ob Ture sein Wunschgeschenk erhalten wird oder ob die Familie von Stibitz auf einem ihrer Raubzüge plötzlich von der Polizei begrüßt wird. Man kann sich natürlich drüber streiten, ob Kinder aus Büchern unbedingt etwas lernen müssen bzw. ob jede Geschichte eine echte Moral haben muss, aber mir war das Unmoralische hier einfach viel zu sehr priorisiert. Ich würde mich hier schwer damit tun, das Kind einfach lesen zu lassen, ohne mit ihm noch über den Inhalt zu reden – zumal das Kind durchaus selbst auch noch Fragen haben kann, denn an zumindest einer Stelle ist die Geschichte absolut unlogisch und da wird mein 5jähriger Neffe nicht das einzige Kind sein, das fragt, wieso die Polizei denn dann nicht einfach selbst vom Tatort aus losmarschiert und schaut, wohin der Tunnel denn so führt, den die von Stibitzens heimlich von ihrem eigenen Keller aus gegraben haben?! Ja, das war zwar eine recht (irr)witzige Szenerie, zumal sie sehr überzogen war, aber da wusste ich nun auch nicht, wieso die Familie von Stibitz da nicht geschnappt können werden sollte.

Der kurzweiligen Unterhaltung wegen vergebe ich dennoch vier Sterne, zumal ich darauf hoffe, dass das Stibitzen im nächsten Teil der Reihe dann doch auch sehr viel deutlicher verurteilt werden wird. Ein paar hoffnungsvolle Vorschusslorbeeren stecken in diesen (eigentlich eher 3,5) Sternen also schon.