Real Life versus Fandom

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
aennie Avatar

Von

Cath(er) und Wren (Erklärung der Namen: Weltklasse!) sind Zwillinge, 18 Jahre alt und ziehen von Omaha nach Lincoln, um dort aufs College zu gehen. Für Cath war klar, so selbstverständlich wie die beiden bisher ihr Leben geteilt haben, so wird es weitergehen. Doch Wren hat andere Pläne als Cath. Charakterlich ohnehin die dominantere und kommunikativere Persönlichkeit, beschließt Wren, ihr College-Life ohne Cath zu leben. In einem eigenen Zimmer, in einem anderen Wohnheim, mit anderen Freunden, Partys, Alkohol und allem was sonst noch für sie dazu gehört. Cath ist geschockt. Ohnehin introvertierter als ihre Schwester, fühlt sie sich ziemlich im Stich gelassen und igelt sich regelrecht ein. Ernährt sich lieber von Müsliriegeln als nach der Mensa zu fragen, ist froh, dass ihre Zimmergenossin Reagan nicht versucht, sich mit ihr zu unterhalten und ist auch sonst davon überzeigt, dass zwischenmenschliche Kontakte vollkommen überbewertet sind. Sie sorgt sich um ihren Vater, der nun auf sich gestellt ist und zu manischen Phasen neigt, was sie selbstverständlich auch nicht unbeeinflusst lässt. Nebenbei hat sie auch noch einen wichtigen Job zu erledigen: bevor der achte und finale Band der Simon Snow-Reihe erscheint, muss sie ihre Fan-Fiction zum großen Finale der Reihe fertig gestellt haben. Tausende warten auf ihre fast täglich hochgeladenen Kapitel der Alternativ-Handlung um den Magier. Und so ist Cath mitunter sehr alleine, ohne dass sie das besonders stört. Eher irritierend wirkt sich die ständige Anwesenheit von Levi, einem Freund Reagans aus. Ständig freundlich und zuvorkommend, lächelt er sich in Caths Leben hinein – und lässt einfach nicht locker. Er zwingt sie regelrecht, sich mit ihm zu unterhalten, sich von ihm bei Dunkelheit über den Campus begleiten zu lassen, und irgendwann ist das Cath auch gar nicht mehr so unangenehm.

Während des Lesens habe ich immer wieder gedacht, wie unglaublich gut das alles geschrieben ist. Wie viele passende Formulierungen, genau richtige Antworten oder Kommentare, Beschreibungen, die den Leser einfangen und nicht mehr loslassen. Am liebsten möchte ich das Buch auch noch einmal lesen – im Original – weil es eigentlich noch großartiger sein muss, es kann einfach nicht nur durch die Übersetzung gewonnen haben – aber die ist in meinen Augen und ohne Kenntnis des Originals sehr gelungen. Eingewoben in den Text sind dabei immer wieder kurze Textauszüge aus sowohl den (fiktiven) Romanen um Simon Snow als auch aus Caths Fanfiction über ihn. Das wirkt insgesamt auflockernd und erhellt so ein bisschen das gesamte Drumherum, aber eklatant wichtig fand ich das nicht, zumal es auch die verschiedensten Auszüge sind. Am interessantesten sind sie dann, wenn sie auf die eigentliche Handlung an dieser Stelle gut passen, als Anmerkung aus einer anderen Welt sozusagen.

Insgesamt schadet es nicht, wenn man als Leser irgendwie so eine gewisse Vorstellung hat, was es mit Fan-Fiction auf sich hat, was für ein regelrechtes Universum im Netz existiert, in dem unzählige Menschen (vielleicht auch ein bisschen zu sehr) vollständig aufgehen, aber zwingend ist es nicht. Im Zweifelsfall liefert auch Wikipedia die entsprechenden Background-Infos zu Fandoms, Slash und Mary Sue.

Fazit: Und jetzt weiß ich wieder gar nicht, wie ich meine Begeisterung in Worte fassen soll. Fangirl ist fantastisch. Ich habe es (ein bisschen schäme ich mich ja schon) innerhalb eines Tages regelrecht verschlungen. Manchmal hat es sich andersherum angefühlt, weil es mich so sehr in seine Handlung hineingezogen hat, weil ich immer so sehr bei diesen großartig angelegten Figuren war, weil seine so mitreißende Emotionalität mich wirklich mitunter mitgenommen hat, weil man gefühlt nicht genug Post-Its in der Schublade hat, um all die Zitate zu markieren, die man sich am allerliebsten an die Zimmerwände oder auf T-Shirts drucken lassen würde, weil man irgendwie jedes Gefühl, dass Cath hat, nachvollziehen kann oder selbst erlebt hat, weil man Wren, Courtney, Laura schütteln möchte, weil man für ihren Dad sorgen möchte, weil man eine Anti-Freundin wie Reagan braucht und weil man schockverliebt in Levi ist. Einfach so.
Also: Lesen! Auch wenn man keine achtzehn mehr ist, sondern doppelt so alt…