Über die Anfänge des Erwachsenenwerdens und Fanfiction...

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lilibeth2311 Avatar

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Für die Zwillingsschwestern Cath und Wren beginnt eine neue, spannende Zeit: Sie kommen auf das College. Doch plötzlich ändert sich alles. Die beiden wohnen nicht mehr zusammen, sie haben verschiedene Kurse und langsam auch verschiedene Leben. Das passt vor allem Cath nicht, der neue Situationen und Menschen Angst machen. Und dann ist da ja auch noch ihre neue Mitbewohnerin Reagan, die Cath ganz deutlich zeigt, dass sie niemanden mag außer ihren Freund Levi, der so häufig im Zimmer der Mädchen ist, dass er fast schon dort wohnt.

Im Prinzip findet sich in „Fangirl“ eine gängige Coming-of-Age-Story. Ein neuer Lebensabschnitt, neue Freunde, neue Erfahrungen. Doch Rainbow Rowell garniert das mit zwei besonderen Zutaten: Zwillingsschwestern und Fanfiction.
Vor allem zweites nimmt nicht nur einen großen Teil von Caths Leben ein, sondern auch des Buches. Caths Gespräche drehen sich viel um den Zauberer Simon Snow, der ein riesiger Teil der Popkultur ist.
Jedem der 38 Kapitel ist ein Auszug aus Caths Fanfintion oder ein Teil aus den regulären Büchern um den Magier vorangestellt
Und in diesen Teilen liegt für mich die größte Schwäche des ganzen Buches.
Fanfiction an sich ist ja ein tolles Thema und gerade für Menschen, die gern lesen und sich in fremden Welten verlieren, interessant. Doch Simon Snow konnte mich nicht packen.
Die Auszüge waren unvermittelt herausgerissene Teile. Nach und nach erschlossen sich zwar die Figuren und Beziehungen zueinander, aber Spaß machten sie mir nie.
Mein größtes Problem mit Simon und seinem Erzfeind Baz bestand jedoch an der gnadenlosen Nähe zu Harry Potter. Es gibt sieben Bücher mit jeweiligen Verfilmungen. Simon ist ein Waise, dessen Zauberschule eine Festung ist. Er ist schon als Junge ein bekannter Zauberer. Er hat eine lernbegierige Freundin. Er hat einen Erzfeind an der Schule. Der größte Feind der Zauberei hat Interesse an ihm. Ein Schmelzkessel lost die Zimmergenossen zu.
Vielleicht sollte da ja eine deutliche Parallele zur Realität mit dem Harry-Potter-Universum geschaffen werden, aber mich persönlich störte es. Mir wäre es lieber gewesen, wenn Rainbow Rowell sich eine neue Welt hätte einfallen lassen. Das hat sie ja auch zu Teilen. Für mich aber zu wenig.

Zeitgleich mit „Fangirl“ erschien auch „Aufstieg und Fall des außerordentlichen Simon Snow“. Ein Buch über ebenjenen Zauberer. Da mich die Teile in „Fangirl“ nicht begeistern konnten, habe ich aber kein Interesse, es zu lesen.

An der Stelle ist es aber auch schon vorbei mit den Schwächen diesen Buches.
Der Rest begeisterte mich durchweg.

Mit Cath wurde eine Figur mit vielen Schwächen, Ecken und Kanten geschaffen und deswegen war sie umso besonderer und echter. Viele ihrer Ängste und Sorgen konnte ich vollkommen mitfühlen. Nicht selten erkannte ich mich - oder mein früheres Ich - in ihr.
Und auch wenn viele Personen um sie herum schwer als Sympathieträger durchgehen können, habe ich sie alle gern gemocht. Und in den immer lächelnden und herzlichen Levi habe ich mich vielleicht sogar ein kleines bisschen verliebt.
Ich freute mich auf jedes neue Kapitel und jede Begegnung mit Reagan, Wren, ihrem Vater, Levi, Lehrern oder Kommilitonen, denn Cath hatte zu jedem eine einzigartige Beziehung.

Dementsprechend spannend war es für mich, die Entwicklungen zwischen den Figuren zu beobachten. Und es wird sich viel entwickelt in diesem Buch. An allen Ecken. Familie, Freundschaft, Liebe - alles spielt mit rein und durchläuft logische, nachvollziehbare und vor allem interessante Änderungen.
Durch diesen Umstand habe ich zum ersten Mal etwas beim Lesen erlebt. Ich hatte Angst vor der Zukunft des Buches. Ich habe mir wirklich Sorgen um die Figuren gemacht. Ich wollte keinen auf dem Weg zur letzten Seite verlieren. Ich hatte wirklich Furcht, dass jemand stirbt, jemand sich von Cath abwendet oder sonst etwas passiert, was mir noch nicht in den Kopf kam. So etwas kenne ich nicht. Ich habe ständig gehofft, dass „Fangirl“ ein gutes Ende nimmt.

Sprachlich ist das Buch klar ein Jugendbuch: schnell und einfach zu lesen. Und doch gab es einige Sätze, die wundervolle Weisheiten waren. Wäre ich jemand, der sich Zitate aus Büchern herausschreibt, hier hätte ich einiges gefunden. Einige kleine Perlen.

Und das ist wohl das, wie ich das Buch in Erinnerung behalten werde: Eine Geschichte über die Anfänge des Erwachsenwerdens, ohne die Leidenschaft für Dinge, die einem am Herzen liegen, zu verlieren. Ein Buch über Figuren, die den Leser berühren und dabei in besonderen Beziehungen zueinander stehen ohne still zu stehen. Eine Story, die es sich zu lesen lohnt. „Fangirl“ hat mich emotional an sich und die Personen gefesselt, wie ich es selten beim Lesen erlebe.
Vor allem die starke Nähe zu Fanfiction macht das Buch zusätzlich besonders. Nur ausgerechnet DIESE Fanfiction hat mir nicht zugesagt. Deswegen ziehe ich ein wenig von der Höchstbewertung ab.