Beeindruckend, ergreifend, spannend

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orlandonegro Avatar

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Schon die Leseprobe schlug mich in den Bann der Geschichte und ich war überglücklich, dann den Roman in Händen zu halten!
Was mich bis zum letzten Satz beeindruckte waren zum Einen die wunderbare, ja kostbare Sprache, die Spannung und die zutiefst humanistisch-friedensliebende Haltung, mit welcher die Autorin ihren Roman geschrieben hat. Jeder wirklich gute Roman sei eine Familiengeschichte, sagte Steven King sinngemäß. Der Roman Feldpost, welcher schon in Cover und Klappentext erahnen lässt, wohin die Reise geht, entführt uns Leser in eine Zeit, die gottseidank nur unsere Eltern und Großeltern noch aus eigenem Erleben kennen. Und dennoch gewinnt das Schicksal von Menschen, welche aus diktatorischen Verhältnissen und Krieg in fremde Länder fliehen ungewollt an Aktualität. Eine Frau gelangt überraschend an Briefe und Fotos. Die Recherche führt sie zu einigen noch Lebenden und in die Lebens-und (unglücklichen)Liebesgeschichten von bereits Verstorbenen. Der Spannungsbogen meandert, pendelt dabei kapitelweise immer zwischen den 30er/40er Jahren und einer Gegenwart hin und her, die am Ende auch wieder zu einer erzählten Gegenwart wird. Rahmenhandlung könnte man das nennen, obwohl es dieses stete Zeitenpendel ist, welches den Leser zuverlässig bei der Hand hält und durch die dramatischen, tragischen, berührenden, spannenden Ereignisse führt. Ich konnte das Buch nur stundenweise aus der Hand legen, weil ich einfach wissen MUSSTE, wie es weitergeht. Interessant fand ich, dass die Geschichte im größten Teil ohne verkörperte Antagonisten, also Gegenspieler oder Bösewichte auskommt. Es sind die gesellschaftlichen Verhältnisse der NS Zeit und das, was sie aus und mit den Menschen machte. Verwirrend und dann betroffen machend, als sich herausstellt, WER da eigentlich WEN (auch verbotener Weise) LIEBTE! Klug auch, dass es eine ganze Reihe von richtig toll erschaffenen Identifikationsfiguren gibt, mit denen man mitfühlen, mit leiden kann. Das zeichnet grosse Literatur aus, dass sie nicht für "Zielgruppen" verfasst, sondern wirklich ALLEN MENSCHEN ETWAS zu geben vermag. Immerwieder begeisterte mich vor allem die wunderschöne, poetische, ja ich wiederhole das gern: KOSTBARE SPRACHE. Der Schreibstil bietet poetische Landschaftsbeschreibungen und dann wieder fast dokumentarisch gefasste Szenen, liebevolle Zwischenmenschlichkeit. Vor allem hält die Autorin die Spannung bis zuletzt. Jeder und jede wird darin Passagen entdecken, die einen zutiefst berühren und an eigenes Erleben erinnern. Der geschichtliche Kontext ist dabei so geschickt verwoben, dass man MITERLEBEN kann, obwohl wir zu diesen finsteren Zeiten Gottseidank noch nicht lebten. MITFÜHLEN KANN, wie es heutzutage Menschen geht, welche ihre Heimat und geliebte Menschen verlassen. Dass letzteres Gottseidank nicht mit erhobenem Zeigefinger geschieht, verrät die zutiefst humanistische Haltung der Autorin! Als am Ende - und ich möchte bewusst nicht Handlungsteile und Wendungen verraten! - herauskommt, wer und was das Gerüst aus Lügen und Schweigen ge-und ertragen hat, ist man betroffen und ganz zum Schluss fiel mir ein alter Queen Titel ein, dessen Text mich als Teenager sehr bewegte. ALL DEAD hiess der...."All dead and gone..." Von mir gibt es eine ganz klare Leseempfehlung! Dieses Buch ist mir so wertvoll, dass ich es gern weiterverschenken oder weiterverleihen möchte, auf dass meine Freunde dieses Leseerlebnis mit mir teilen mögen. 5 STERNE von mir!