Mafia, Organhandel, Korruption - Schwedenthriller schöpft aus dem Vollen

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evaczyk Avatar

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Es dauert ein bißchen, bis Pascal Engman neuer Thriller "Feuerland" an Fahrt aufnimmt - schließlich muss der schwedische Autor gleich mehrere Erzählstränge zwischen Chile und Schweden anlegen, und wie si viele gute skandinavische Krimis in der Tradition der "Millenium"-Reihe geht es auch in Engmans Thriller um gleich eine ganze Reihe von sozialen Problemen, Missständen und Skandalen. Und obendrein muss mit der schwedischen Komissarin Vanessa Frank eine neue Serienfigur eingeführt werden, die reichlich Entwicklungspotential für Folgebücher enthält.

Die Leser lernen die 42-Jährige nicht gerade in der besten Phase ihres Lebens kennen - frisch getrennt, die Scheidung läuft, leider auch ein Disziplinarverfahren, das mit Suspendierung enden könnte, ist Frank doch betrunken am Steuer erwischt worden, Es liegt nicht nur am treulosen Ehemann Swante, dass sie sich neuerdings ihrer sexuellen Orientierung nicht mehr ganz sicher ist - da könnte es bestimmt noch interessante künftige Entwicklungen geben. Und eher aus Langeweile lässt sie sich überreden, sich als Mentorin des syrischen Mädchens Nastassja zu betätigen, das in einem Heim für unbegleitete minderjährige Flüchtlige lebt.

Am anderen Ende der Welt hat "Don" Carlos, der Chef der "Colonia Rhein" im Süden Chile, ganz andere Sorgen. Die Kolonie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von Altnazis und ihren Familien gegründet, die es über die berüchtigte "Rattenlinie" nach Südamerika geschafft hatten. Zu Zeiten der Pinochet-Diktatur wurde hier gefoltert - ähnlich wie es in der real existierenden "Colonia Dignidad" der Fall war. Mittlerweile gibt es mit der "Clinica Bavaria" ein solides finanzielles Standbein, reiche Ausländer auf der Suche nach einem Spenderorgan stellen hier keine kritischen Nachfragen.

Als eine in Schweden operierende Mafia-Organisation zur Unterstützung des Organhandels nicht nur Straßenkinder entführt, sondern auch aus dem Flüchtlingsheim Kinder verschwinden, ermittelt Vanessa auf eigene Faust. Denn sie fürchtet, dass die Mafia auch innerhalb der schwedischen Polizei Informanten hat. Unerwartete Hilfe kommt ausgerechnet von einem Mann, den sie verdächtigt, mit der Entführung reicher Geschäftsleute zu tun zu haben und der ebenfalls im Visier der Mafia zu stehen scheint...

Organisiertes Verbrechen, Korruption, Willkür, Organhandel und Menschenschmuggel - es gibt reichlich Probleme, die Engman die Kommissarin abarbeiten lässt. Die spröde Polizistin und der Halbschilene Nicolas bilden ein Team, das anfänglich voll gegenseitigen Misstrauens zusammenkommt, dann aber sehr effektiv einen Kampf nach dem Motto "Allein gegen alle" aufnimmt, Das ist im letzten Abschnitt mitunter zwar in eher unwahrscheinlicher James Bond-Manier, dabei aber spannend erzählt und mit Hauptfiguren, die gerade wegen ihrer Brüche und Probleme auch menschlich glaubwürdig sind.

Bereits in "Der Patriot" hat Pascal Engman Spannung und Aktualität verbunden. Die Hoffnungen, die ich nach dem ersten Buch in "Feuerland" setzte, wurden nicht enttäuscht. Wie schön, dass das Buch als erster Band einer Thriller-Serie angekündigt wurde. Themen dürften dem Autor so schnell nicht ausgehen - und mit Vanessa Frank hat er eine Hauptfigur geschaffen, auf deren Weiterentwicklung ich neugierig bin.