Spannender, sogar informativer Politthriller

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REZENSION – Die heftige Debatte um den Einsatz chinesischer Technologie beim Ausbau des deutschen 5G-Mobilfunknetzes oder der drohende Austritt des bankrotten Staates Italien aus der Europäischen Union sind nur zwei Themen, die in dem im Oktober im Droemer-Taschenbuchverlag veröffentlichten Politthriller „Final Control“ des deutschen Bestseller-Autors Veit Etzold (47) behandelt werden. Es geht um Datenschutz, Datenkontrolle und digitale Überwachung, um die globale Vernetzung, die Lenkung des internationalen Finanzmarktes durch legalen Einsatz ebenso wie durch Missbrauch digitaler Technik sowie um die technologische Vormachtstellung in der Welt. Dabei sieht der Autor die Volksrepublik China zweifelsfrei als Gewinner, die USA als Mitbewerber, Europa als Verlierer und Deutschland auf der Stufe eines Entwicklungslandes.

Veit Etzold stellt die mögliche Nutzung digitaler Technik in allen Lebens- und Arbeitsbereichen in das Spannungsfeld zwischen den Extremen der totalen Überwachung und des totalen Chaos. Sein junger Protagonist Tom, ein deutscher Start-Up-Unternehmer mit Firmensitz in der chinesischen Stadt Shenzhen, braucht dringend einen Investor und gerät an den Milliardär Dairon Arakis. Zu spät erkennt Tom, welche Rolle Arkadis spielt, und gerät schnell zwischen die Fronten. Über ein Hedge-Fonds-Konsortium treibt Arkadis italienische Banken und letztlich auch den italienischen Staat in den Bankrott und schürt bürgerkriegsähnliche Unruhen nicht nur in Italien, da die anderen europäischen Staaten über den Europäischen Ausgleichsfonds gleichfalls betroffen sind und in den finanziellen und wirtschaftlichen Abgrund zu stürzen drohen. Unruhen in der Bevölkerung lassen sich nur durch totale Überwachung verhindern, wie China schon seit Jahren mittels seines Social Credit Systems über die eigene Bevölkerung und vor allem über seine Provinz Xinjiang mit der Bevölkerungsgruppe der islamistischen Uiguren wacht. In dieser chaotischen Situation bietet nun ausgerechnet Arakis den Einsatz chinesischer Sicherheitstechnologie zur Überwachung und Kontrolle an.

Als internationaler Unternehmensberater und Mitglied der Atlantik-Brücke und der Global Bridges verfügt Veit Etzold über das für diese Themen erforderliche Fachwissen. Doch birgt eben diese Detailkenntnis auch Gefahren für den Autor, der sein komplexes Wissen im Roman unterbringen will, und für die im Detail überforderte Leserschaft. So ist der Roman eineseits spannend zu lesen und durch seine kurzen, an wechselnden Schauplätzen der Welt spielenden Kapitel ein echter Pageturner, den man kaum aus der Hand legen mag, da immer wieder das nächste Kapitel lockt. Doch ist die Handlung andererseits an manchen Stellen auch unglaubwürdig, wenn ausgewiesene Experten ihrer Branche sich in Dialogen gegenseitig fachspezifische Zusammenhänge erklären, die sie doch vor allen anderen kennen sollten. Hier erweist sich der Autor gegenüber seinen Lesern zu sehr als „Oberlehrer“. Auch sind Wiederholungen einzelner Aspekte in wechselnden Dialogen ebenso überflüssig wie die wiederholte Aussage, dass Deutschland auf der Stufe eines digitalen Entwicklungslandes steht. Traut der Autor uns nicht zu, dies schon beim ersten Mal verstanden zu haben?

Sieht man allerdings von derlei Schwächen ab, ist Etzolds Roman ein durchaus spannender, für Laien sogar informativer Thriller über die objektiven Vorteile, aber eben auch über die Möglichkeiten des Missbrauchs digitaler Technik. „Final Control“ warnt vor totaler Datenkontrolle und Überwachung der Menschen. War dies in George Orwells bereits 1948 veröffentlichtem Roman „1984“ noch eine dystopische Vision, ist totale Überwachung in Etzolds Politthriller schon Realität. Wir sind uns dessen nur noch nicht bewusst.