Rassismus und Frauenfeindlichkeit in der Nachkriegszeit

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
elkev Avatar

Von

Erneut hat Lilly Bernstein einen Roman geschrieben, den ich nicht mehr aus der Hand legen konnte, hatte ich erst begonnen zu lesen. Das Vorgänger Buch "Trümmermädchen " wartete mit der gleichen Intensität auf. Haben wir in diesem vorangegangenen Werk Anna und ihre Bande von der Ehrenstraße in Köln zur Zeit des 2. Weltkrieges kennengelernt, so erleben wir jetzt die Herausforderungen der Nachkriegszeit in Köln und erleben was aus den Geschwistern Helga und Jürgen geworden ist. Die Geschichte beginnt in Frankreich, wo die beiden von Tante Claire und Onkel Albert fürsorglich umsorgt worden sind, bis plötzlich bekannt wird, dass der Vater der Kinder noch lebt und sie 1955 zurück in ihre alte Heimat am Rhein reisen. Doch die Lebenssituation gestaltet sich besonders für Helga nicht einfach, vermisst sie ihre Mutter doch sehr, von der niemand weiß, was mit ihr geschehen ist und zudem wird sie sich als heranwachsende, junge Frau einem Rollenbild bewusst, das sie immer mehr als ungerecht und abwertend erlebt und dem sie selbst zum Opfer fällt. Das anfängliche Glücksgefühl über den heimgekehrten Vater, der ihr liebvoll begegnet, wird bald durch seine eigene Vergangenheit getrübt, die es ihm nicht erlaubt, Helga mit ihren Fähigkeiten so anzunehmen wie sie ist. So muss sie statt ihres Wunsches ein Gymnasium zu besuchen, eine Haushaltungsschule ertragen, die nach einem theoretischen Teil ein Praktikum vorsieht. Ausgerechnet Helga mit ihrem Leben als Trümmmerkind soll dieses in einem Waisenhaus absolvieren, wodurch sie mit ihrer eigenen Vergangenheit schmerzlich konfrontiert wird. Dort lernt sie die kleine Bärbel kennen, die als Kind mit dunkler Hautfarbe täglichen brutalen Mißhandlungen ausgesetzt ist. Wie kann Helga ihr nur helfen?

Doch in dem Haus am Eigelstein leben noch andere Personen, wie sich des Nachts plötzlich herausstellt. Da gibt es nicht nur die lebenslustige Fanny und die unausstehliche Tante Meta, sondern auch noch Auguste und Konradin, die aus Ostpreußen geflüchtet sind und auf dem Dachboden wohnen.

Die Charaktere erwachen sofort zum Leben, so dass ich sofort Teil der Handlung zu sein schien. Jede Szene sah ich während des Lesens deutlich vor mir. Die Autorin schreibt so detailreich und emotional packend, wie ich es kaum von anderen Schriftstellern kenne. Die Verzweiflung und die Wut Helgas habe ich mehrfach deutlich gespürt. Zum Ende hin konnte ich das heimelige Weihnachtsfest so richtig genießen, nach all den dramatischen Ereignissen zuvor. Die Handlung ist in sich schlüssig und spannend aufgebaut, aber nicht vorhersehbar. Während der einzelnen Kapitel kommen Tagebucheintragungen der Mutter zur Sprache, die sukzessive erahnen lassen, was sich damals tatsächlich zu Ende des Krieges ereignet hat.

Die Rolle der Frau in der Nachkriegszeit hat mich sehr betroffen gemacht und ich musste unweigerlich an die Geschichte meiner eigenen Mutter denken.

Diese Buch ist absolut lesens- und empfehlenswert- thematisch und atmosphärisch wirklich gelungen- für alle, insbesondere Frauen, die gut geschriebene Geschichten lieben.