Auf Wiedersehen Reißverschluss

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
fornika Avatar

Von

„Ich liebe alle Geschichten. (…) Die einzige Literatur, die ich nicht ausstehen kann, ist Rattenliteratur einschließlich Mäuseliteratur. Ich verabscheue die gutmütige alte Ratty in Der Wind in den Weiden. Mickey Mouse und Stuart Little finde ich zum Kotzen.“ (S. 59)
Boston, 1960: im Keller des Buchladens „Pembroke Books“ erblickt die kleine Ratte Firmin das Licht der Welt. Die Rattenmutter entpuppt sich als alkoholabhängige Rabenmutter, der Rest des Wurfes ist größer und stärker als Firmin und so braucht er bald die Bücher sprichwörtlich zum Überleben; schließlich ist ein bisschen Papier durchaus nahrhaft. Doch bald lernt Firmin lesen und liest sich durch die Kleinen und Großen der Weltliteratur. Doch das bleibt nicht seine einzige Entdeckung, denn Firmin erkennt, dass er sich den Menschen wesentlich näher fühlt als den eigenen Artgenossen.
Sam Savage hat hier mit Sicherheit kein lustiges Kinderbuch über eine Leseratte geschrieben. Wer mit dieser Erwartungshaltung ans Buch herangeht, wird unweigerlich enttäuscht werden. Es ist vielmehr eine melancholische, nachdenkliche und auch traurige Gesellschaftsstudie über ein paar menschliche Existenzen, die dem drohenden Verfall ihres Lebens zu trotzen versuchen. Egal ob der Buchhandlungsbesitzer Norman oder der absolut unerfolgreiche Schriftsteller Jerry, bei dem Firmin im Rattenhotel Unterschlupf findet, Savage fängt ihre Probleme gut ein und lässt sie uns durch die schwarzen, blanken Augen von Firmin entdecken.
Savages Stil ist nicht immer einfach zu lesen, oft schweift er ab oder verheddert sich gerade gegen Ende des Buches auch mal in seiner Geschichte. Trotzdem gefällt mir seine Art zu erzählen sehr gut, der nüchterne, melancholische Ton passt einfach perfekt zu dem oft tragischen Inhalt. Trotzdem zaubert so manch tragisch-komisches Ereignis dem Leser ein Lächeln ins Gesicht z.B. versucht Firmin Gebärdensprache zu lernen um sich endlich mit seinen Mitmenschen unterhalten zu können. Doch leider kann er nur einen Satz sagen, nämlich „Auf Wiedersehen Reißverschluss“. Hilft bei der Mission Freundschaft mit dem Menschen leider nur bedingt weiter.
Fazit: Mir haben die Memoiren dieser bibliophilen Ratte gut gefallen, das Buch lebt sowohl von seiner Sprache als auch von den tragischen Existenzen.