Firmin, die kleine Bücherratte

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mammutkeks Avatar

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Firmin ist die kleinste Ratte des Wurfes seiner Mutter Flo, die diese im Keller einer Buchhandlung zur Welt bringt - und unter anderem mit "Ulysses" von James Joyce warm hält. Für Firmin sind die Schnipsel des "großen Buches" jedoch nicht nur sein Nest, sondern er beginnt auch, die Fetzen zu fressen - und schon bald genießt er Literatur auch auf die übliche Art, nämlich lesend. Er liest sich durch die vielfältigen Bände des großen, verwinkelten Buchladens - und hofft dabei, die Menschen besser verstehen zu können.
Doch seine Zuneigung zum Buchhändler Norman, die er von weitem auslebt, bekommt einen tiefen Knacks, als er sich dem Mann zum ersten Mal zeigt. Dieser greift nämlich zum Rattengift, um Firmin zu vertreiben.
Erst, als er den ziemlich erfolglosen Schriftsteller Jerry Magoon trifft, lernt er menschliches Leben aus einer anderen Warte kennen - wenngleich Jerry sicherlich kein bürgerliches Dasein führt. Literatur spielt allerdings nur noch am Rande eine Rolle.
Insgesamt hatte ich mir nach dem Klappentext - des wirklich sehr gut gestalteten Einbands - mehr versprochen. Mehr Auseinandersetzung mit Literatur, mit der Sicht von außen auf die Möglichkeiten der Schriftstellerei, auf das Leben Einfluss zu nehmen.
Herausgekommen ist ein interessanter Roman, der ein skurrile Hauptfigur sein eigen nennt, die Beleuchtung einer bestimmten Variante der Sexualität aus einer ganz besonderen Warte, aber nicht die erhoffte Auseinandersetzung mit Literatur. Eher ist Firmin ein Ratatouille der Literatur. Er kann lesen - dieses Wissen aber nicht entsprechend verwerten, genau wie die kochende Ratte im Zeichentrickklassiker.
Interessant ist "Firmin" noch aus einem anderen Aspekt, nämlich der Stadtplanung im Boston der 1960er Jahre. Was diese Umgestaltung der Städte - nicht nur in Boston - angerichtet hat, sieht man auch hierzulande in vielen ach so schön "modernisierten" Innenstädten …