Melancholie eines Rattenlebens...

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parden Avatar

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Er ist der Kleinste unter seinen Geschwistern und kommt immer zu kurz. Doch Rattenjunge Firmin weiß sich zu helfen. Weil er in einer Buchhandlung aufwächst, beginnt er gegen den nagenden Hunger die Bücher in den Regalen anzuknabbern und dann, nachdem er bemerkt hat, dass die Seiten bedruckt sind, zu lesen.
In den Büchern findet er alles, was in seinem Rattenleben nicht vorkommt: Abenteuer und Liebe, Bösewichter und schöne Heldinnen. Firmin arbeitet sich so durch die gesamte Weltliteratur.

Dabei ist Firmin nicht nur wegen seiner Lesekunst keine Ratte wie die anderen. Er sucht keinen Kontakt zu seinen Artgenossen, beobachtet sie höchstens aus der Ferne. Stattdessen sucht er die Freundschaft der Menschen - wie sie im Buche steht. Bis er nur knapp einem Giftanschlag entgeht. Doch Firmin lässt sich nicht unterkriegen...

Im Inlet des Hörbuchst steht als Zitat der Los Angeles Times Book Review: "Ein Held im Dickens´schen Sinne". Firmin ist ein Benachteiligter seiner Art und die Lebensumstände so, dass sie teilweise noch nicht einmal einer Ratte zugemutet werden dürften.
Doch Firmin schafft sich seine eigenen Welten. Er befriedigt seine dringendsten Bedürfnisse, wobei ihm nahezu egal ist, was er isst oder trinkt, Hauptsache es macht schnell satt und er kann schleunigst zu seinen Büchern zurückkehren. Er lebt kaum ein eigenes Leben, sondern das in seinen Büchern oder aber der Menschen, die er beobachtet und denen er gerne nahe sein würde. Alles was er erlebt, ist für ihn wie Literatur.

Sam Savage vermag sehr bildhaft und detailliert über die Lebensumstände von Firmin zu schreiben, so dass man manche Szenen geradezu plastisch vor Augen hat. Leider ist Firmin als Ratte nicht sonderlich sympathisch. "A lonesome cowboy" schwebte mir als Untertitel so manchesmal durch den Kopf. Viel Einsamkeit, viel Melancholie, viel Jazz - und der Blues des Lebens. Und je weiter das Leben voran schreitet, desto weniger vermag schließlich auch die Welt der Bücher einen Gegenpol zur tristen Realität zu bilden.

Gustav Peter Wöhler, ein bekannter Theater-, Film- und Fernsehdarsteller, liest diese ungekürzte Hörbuchversion. Da sich nahezu alles Geschehen in der Gedankenwelt des Firmin abspielt, klingt der Text gelesen oft auch recht monologisierend, was meine Konzentration teilweise schnell abschweifen ließ.
Dennoch ist es eine gekonnte Lesung, die sich nur der zunehmend düsteren und melancholischen Stimmung der Erzählung anpasst. Eine Melancholie für Fortgeschrittene, sozusagen...

Insgesamt hat mich das Hörbuch nicht wirklich vom Hocker gerissen und mich in einer dumpfen Stimmung zurückgelassen. Anspruchsvoll, sicherlich, aber für mich kein unbedingtes Muss...