Welch ein Rattenleben

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gesil Avatar

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_Boston in den 60er Jahren. Im schäbigen Keller der Buchhandlung am Scollay Square wird Rattenjunge Firmin geboren. Er ist der Kleinste im Wurf und kommt immer zu kurz. Als der Hunger eines Tages zu schlimm wird, knabbert er die in den Regalen lagernden Bücher an. Eines nach dem anderen wird gefressen, bis Firmin entdeckt, dass auf dem Papier etwas steht, was ihn sein Elend vergessen lässt: Ob Lolita oder Ford Madox Ford, ob Moby Dick oder Cervantes, die Welt der Menschen verspricht Abenteuer und Liebe, Krieg und Frieden, kurz: alles, was eine Ratte nicht hat. Voller Neugier sucht Firmin die Freundschaft zu Buchhändler Norman. Als dieser einen Giftanschlag auf ihn verübt, muss Firmin einsehen, dass er in den Augen der Menschen wohl doch nichts weiter ist als ein lästiges Tier. Wie so oft im Leben zeigt sich aber gerade in den dunkelsten Stunden ein Licht am Ende des Tunnels._ Die Idee, aus einer ganz alltäglichen Ratte, die einen schwierigen Start ins Leben hat, eine Leseratte zu machen und mit ihr dem Leser die Welt der Bücher näher zu bringen, fand ich äußerst interessant. Und obwohl Sam Savage einen durchaus flüssigen Schreibstil hat und der Roman auch hier und da zu einem Lachen reizt, wenngleich Firmins Leben eher einer Tragödie nahe kommt, konnte mich die Umsetzung im Ganzen nicht überzeugen. Waren die Anfänge noch klar und strukturiert, verschwimmt zusehends die Realität – soweit man davon bei einer lesenden Ratte sprechen kann – mit den Tagträumen Firmins und auch die recht abrupten gedanklichen Sprünge Firmins zwischen Vergangenheit und Gegenwart haben mich in meinem Lesefluss unterbrochen. Neugierig war ich vor allem, wie eine Ratte die von Menschen geschriebene Literatur verstehen und ggf. interpretieren würde. Doch davon las ich eigentlich gar nichts und wenn Firmin doch mal mehr über ein Werk sagte, dann hätte das auch ein x-beliebige Mensch tun können. Dafür brauchte es den Protagonisten in Gestalt einer Ratte nicht. Leider endet das Buch auch sehr plötzlich, sodass ich mich zum Schluß gefragt habe, was mir der Autor mit seiner Geschichte sagen wollte. Vielleicht, dass auch Ratten am Ende immer allein sind?! Fazit: Ein Buch, von dem ich mir aufgrund des Klappentextes mehr versprochen habe, das dieses Versprechen aber nicht einlösen kann.