Ein erzählerischer Flickenteppich

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missmarie Avatar

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Text - das Wort stammt vom lateinischen texere und bedeutet so viel wie weben. Ähnlich wie die Weber ihre Fäden nach und nach zu einem Gesamtbild verdichten und verbinden, schaffen auch Autoren durch das Schreiben von Wörtern, Sätzen, Kapiteln das Gewebe einer Geschichte. Das Bild mag Karin Kalisa zu ihrem neuen Roman veranlasst haben. Statt aber einen farbenprächtigen (Fischer)teppich zu präsentieren gleicht der Roman eher einer Aneinanderreihung von Flicken.

Im Fokus der Geschichte steht Mia, die quasi mit neuer Identität als Fachfrau für Textiles in Greifswald arbeitet. Unter anderem forscht und archiviert sie die vorpommerschen Fischerteppiche, die Koggen, Stranddistel und Meer zeigen. Als ihr Chef ihr einen Teppich überreicht, der eine ungewöhnliche Farbe aufweist und untypische Motive zeigt, macht sich Mia auf die Suche nach der Herkunft des Stücks. Diese Reise führt sie in den Osten Europas.

Karin Kalisa bietet in ihrem Roman eine ganze Themenpalette an: Es geht zuvorderst um die Freester Fischerteppich, aber auch um die Teppichkunst an sich. Es geht um den ersten und zweiten Weltkrieg, um Fangverbote, um Schweden, um Osteuropa, um Fälschungen, um Flucht, um Liebe und um Forschung. Einiges davon setzt sich auch interessant um. So habe ich - obwohl ich schon einige Male in Freest und Greifswald gewesen bin - viel Neues über die Kunst der Fischerteppiche und ihrer Geschichte gelernt. Auch die Arbeit einer Faserarchäologin war mir vor der Lektüre fremd. Ein durchaus spannender Beruf mit ganz eigenen (Forschungs-)methoden. Schade, dass es dann am Ende so unwissenschaftlich-verschwommen wird. Tatsächlich schreibt Mia an Stelle eines Forschungsberichts eine Erzählung über die Herkunft des Teppichs und über die mit ihm verbundenen Personen. Wie man zwischen den Zeilen lesen kann, nutzt sie dabei zwar auch Informationen aus Zeitungsartikeln, die dann einfach ohne weitere Erklärung auftauchen. Allerdings denkt sich Mia große Teile der Geschichte einfach aus. Das hat mich unbefriedigt zurückgelassen.
Genervt hat mich auch, wie penetrant einzelne Motive auftauchen und - unabhängig von der individuellen Figurengestaltung - dem Personal aufgestüplt werden. Leider kann ich hier wenig ins Detail gehen, ohne zu spoilern. Ein Beispiel wäre aber, dass Mias Freundin von den weiten des spanischen Hochlandes und ihrer Sehnsucht nach selbigen berichtet. Wenige Seiten später hegt eine Figur aus der Geschichte in fast denselben Worten einen ähnlichen Traum. Das ist nicht nur einmal vorgekommen. Dadurch wirkt die Motivik (die in ihren Grundgedanken durchaus nett ist, so zum Beispiel die enge Verknüpfung von Text und Erzählen und Knüpfen) leider sehr konstruiert.
Meiner Meinung nach hätte es dem Roman gut getan, die Motivik subtiler einzuarbeiten und stattdessen auf den ein oder anderen Handlungsstrang zu verzichten. Vieles wird einfach nicht mehr aufgegriffen, Nebenhandlungen verlaufen im Nichts und Charakterzüge werden plötzlich über den Haufen geworfen.
Auch die Sprache konnte mich nicht immer abholen. Die langatmigen Sätze, oft über ganze Absätze hinweg, machten den (Wieder)Einstieg ins Lesen wenig attraktiv. Ohne eine gute Portion Konzentration habe ich nicht in die Geschichte hineingefunden.

Fazit: Eine Leseempfehlung kann ich leider nicht aussprechen. Denn mit den vielen offenen Handlungssträngen bleibt der Teppich eher ein Flickwerk mit vielen losen Fäden.