Ein literarisch geknüpfter Teppich

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"Fischers Frau" von Karin Kalisa war in vielerlei Hinsicht anders als ich es erwartet hatte. Ich dachte es handelt sich um eine Liebesgeschichte, bei der man nebenbei auch etwas über die Teppichknüpfkunst und Fasern lernt. Stattdessen hat die Autorin den besagten Teppich, in dem es im Buch geht, nicht nur sehr detailliert beschrieben, sondern auch versucht diesen in literarischer Form selbst zu kreieren.

In diesem Buch geht es um die Faserarchäologin Mia, auf deren Tisch eines Tages dieser wundervoll Vorpommersche Fischerteppich landet. Vom Stil, den Motiven, den Farben etc. des Teppichs fasziniert begibt sie sich auf eine Dienstreise, um mehr über die Entstehungsgeschichte des Teppichs sowie der Teppichknüpferin Nina zu erfahren. Nach und nach lassen sich immer mehr Details mit den unterschiedlichsten Stilen und Einflüssen erkennen. Und so wahnsinnig facettenreich wie dieser Teppich beschrieben wird, ist auch der Erzählstil: manchmal sehr blumig oder akademisch, dann wieder geradlinig; sehr lange Sätze wechseln sich mit sehr kurzen ab; einige Paragraphen sind voller Wiederholungen; es wird ständig zwischen direkter, indirekter und erlebter Rede gewechselt, am Ende wird sogar noch so eine Art Metaebene eingebaut; einerseits spielt die Geschichte in der realen Welt, an manchen Stellen bekommt diese jedoch sehr fantastische Elemente. All diese verschiedenen Stile geben einem das Gefühl, dass man beim Knüpfen des Teppichs, bei dessen Entstehung, was über einen sehr langen Zeitraum stattfand, dabei war. Die Fischerin hatte in diesen Teppich ja quasi ihr ganzes Leben eingearbeitet. Und ähnlich wie dieser Teppich aus jeder Perspektive etwas anderes zeigt und preisgibt, wurde in der Geschichte immer wieder darüber philosophiert, was der Unterschied zwischen wahr, falsch und gefälscht ist.

Ich habe am Anfang eine Weile gebraucht, bis ich mich in der Geschichte wieder gefunden hatte. Vor allem die wechselnden Stilrichtungen hatten es mir schwer gemacht. Was die Autorin meiner Interpretation nach versucht hat in diesem Werk literarisch umzusetzen, finde ich jedoch sehr spannend. Ich kann aber auch verstehen, dass das dies sicher nicht jedermanns Sache ist. Der romantische Aspekt fiel für mich leider sehr gering aus, dies liegt aber sicher an den Erwartungen, mit denen ich an das Werk heranging.

Ich empfehle dieses Buch jedem, der eine leise, literarisch experimentelle Geschichte sucht, die auch ein wenig Informationsgehalt liefert (inkl. Quellenverzeichnis).