Lost in Erzählfäden

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
marapaya Avatar

Von

Vom Fischer und seiner Frau habe ich mir als Kind mit am liebsten erzählen lassen. Meine Oma konnte noch ein bisschen platt und dann hieß es immer: „Mandje! Mandje! Timpe Te! Buttje! Buttje in de See! Mine Frau, de Ilsebill, will nicht so, as ick wol will.“ Es ist eine tolle Geschichte, die mir schon früh beigebracht hat, dass Reichtum allein nicht glücklich macht und echte Zufriedenheit aus einem selbst kommt. Ich würde mal interpretieren, dass Karin Kalisa nicht allein wegen der pommerschen Fischerteppiche diese Märchenanlehnung im Titel gewählt hat, sondern es ihr auch inhaltlich um eben jenes Grundthema geht.
Mia ist Faserarchäologin und arbeitet an der Uni Greifswald. Sie führt ein zurückgezogenes Leben mit klaren Strukturen und beruhigenden Ritualen – bis ein meeresgrüner Fischerteppich auf ihrem Schreibtisch landet, der alte Geschichten aufwühlt und die Lust an neuen Geschichten entfacht. Auf der Suche nach der Schöpferin dieses einzigartigen Teppichs entdeckt Mia die Welt und findet zu sich selbst zurück.
So schön ich die Grundidee dieses Romans finde, so sehr hadere ich mit der literarischen Umsetzung, besonders in der ersten Hälfte der Geschichte, in der es um Mia, ihre Gegenwart und ihre Vergangenheit geht. Mit ihrer Figur werde ich nicht warm, verstehe nicht, wen mir die Autorin da als Charakter präsentiert, wie ich Mia zu lesen habe. Auch sprachlich stoße ich mich an allerlei Ecken und Kanten, komplizierten Verschachtelungen und Formulierungen, die für mich wenig Sinn ergeben. Vielleicht soll mir so die Komplexheit und Kompliziertheit von Mia deutlich dargestellt werden, doch ich kann es der Figur einfach nicht abnehmen. Sie ist für mich nicht authentisch, sondern eher wie eine Kunstfigur, die mir etwas bestimmtes verdeutlichen soll. Dabei kann Karin Kalisa durchaus erzählen. Das beweist sie in der zweiten Hälfte ihres Buches, in der es vorwiegend um die Geschichte der Fischers Frau und ihren meeresgrünen Teppich geht. Das bewegte Leben der jungen Nina ist spannend, die Figur sympathisch und ihr Weg durch Europa facettenreich und nachvollziehbar. Doch leider kann ich der Geschichte nicht trauen, denn aus der Wissenschaftlerin Mia, die auf der Suche nach dem Ursprung des Teppichs nach Zagreb gereist ist und dort tatsächlich die Teppichwerkstatt fand, aus der sich Nina aufgemacht hat in den hohen Norden, wird eine Geschichtenerzählerin. Ich erlebe mit, wie sie mit Milan, der die Werkstatt gerade auflöst, durch die alten Unterlagen stöbert. Lese, welche Fakten sie verifizieren können, welche Vermutungen sie anstellen über Nina und dann beginnt Mia ihren Forschungsbericht in der Dachkammer ihres Pensionszimmers zu schreiben und erzählt die Geschichte, wie sie sich vorstellt, so könnte sie gewesen sein. Dieser Erzählkonzeption kann ich nicht folgen, sie stört mich regelrecht. Warum diese komplizierte Verknüpfung zweier Frauenfiguren? Vielleicht funktioniert diese ja für viele andere Leser, aber weil ich mit Mia so gar nicht klarkomme, nervt es mich, dass ausgerechnet sie mir als Schöpferin der Geschichte um die sympathische Nina präsentiert wird. Nein, der Roman hat an zu vielen Stellen nicht für mich funktioniert. Meistens habe ich eher über die Erzählstruktur und die Storykonzeption nachgedacht, bin aus der Erzählung rausgefallen und habe sie nur von außen betrachtet. Das fehlerhafte Korrektorat habe ich noch gar nicht erwähnt, die Dichte an Tippfehlern und falschen Trennungen war bemerkenswert. Auch meeresgrüne Erzählfäden sollten richtig gesetzt und ohne allzu sichtbare Knoten miteinander verknüpft werden.