Spannung schlägt in Kitsch um

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waschbaerprinzessin Avatar

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Da mir Anfang des Jahres Karin Kalisas Roman „Sungs Laden“ in die Hände gefallen ist und mich rundum begeistert hat, habe ich mich sehr darüber gefreut ein neues Buch der Autorin in den Händen zu halten, noch dazu ein derart schön gestaltetes. Sowohl das Thema – die Geschichte zweier Frauen in verschiedenen Zeiten, die über einen an der Ostsee geknüpften Teppich miteinander verbunden sind – als auch die Covergestaltung und die Karte auf der Innenseite des Umschlags haben mich direkt angesprochen. In die Sprache mit ihren Einschüben und Gedankensprüngen musste ich mich erst hineinfinden, sie passt jedoch sehr gut zur Protagonistin. Mia Sund ist eine Faserarchäologin, die die meiste Zeit alleine verbringt und vor ihrer eigenen Vergangenheit in die Geschichte Jahrhunderte alter Stoffe flieht, bis ihre Vergangenheit sie in Form eines von einem Kollegen dahingesagten Satzes wieder einholt. Die Sprache hat mich direkt in Mias von Zweifeln und Unsicherheiten geprägte Gedankenwelt versetzt.

Von Anfang an kommt Spannung auf: Was hat Mia hinter sich gelassen? Und was hat es mit dem ungewöhnlichen grünen Fischerteppich auf sich, den der Kollege Mia ins Büro gebracht hat? Es macht Spaß, Mia bei ihrer Recherchereise auf den Spuren des Teppichs zu begleiten und dabei sowohl etwas über sie als auch über die pommerschen Fischerteppiche zu erfahren. Wie ausführlich Kalisa die historischen Aspekte des Romans recherchiert hat, zeigt sich nicht erst anhand der Liste der von ihr verwendeten Sekundärliteratur im Anhang, sondern ist durchweg spürbar. Ich hätte mir sehr gewünscht, dass die Handlung durchgehend auf der Basis der historischen Fakten aufbaut und anhand von Mias Recherche nach und nach sowohl die Geheimnisse des Teppichs als auch ihre eigenen offenbart. Doch der Titel „Fischers Frau“ ist nun mal an ein Märchen angelehnt und so verwandelt sich der Roman etwa ab der Hälfte in eine Art Märchenerzählung, die für meinen Geschmack zu stark ins Kitschige abdriftet. Ab dem Moment, als die Protagonistin der Geschichte des Teppichs nicht mehr anhand von Fakten nachgeht, sondern sie in einer Art gedanklichem Zwiegespräch mit der Teppichknüpferin erfindet, war ich leider raus.

„Fischers Frau“ ist zweifelsohne eine großartige Rechercheleistung zu einem abseits der Ostsee vermutlich weitestgehend unbekannten Thema, die Karin Kalisa sprachlich gut umsetzt. Leider verwandelt die Autorin die überaus spannende Geschichte einer Forschungsreise in die Vergangenheit in eine unfassbar kitschige Märchenerzählung. Wer Lesestoff fürs Herz sucht, trifft mit diesem Roman dennoch eine gute Wahl.