Erfrischend anders
Erfrischend anders. Endlich einmal keine Protagonistin, die in einer Agentur arbeitet und ständig frustriert um sich selbst kreist, weil ihre Posts nicht genügend Likes auf Instagram generieren und es mit der aktuellen Beziehung etwas arg holprig zugeht. So gesehen ist Charlotte Brandi mit ihrem Erstling "Fischtage" etwas ziemlich Ungewöhnliches gelungen. Ort der Handlung ist Dortmund. Die sechzehnjährige Ella ist Kind unkonventioneller Eltern, die sich allerdings mehr um das eigene Leben drehen, statt sich für Ella und ihren Bruder Lui verantwortlich zu fühlen. Ella 'leidet' unter unkontrollierten Wutausbrüchen. Als ihr Bruder plötzlich verschwindet, zieht Ella in die Kleingärtner- Laube des alten, demenzkranken Eckhard und 'betreut' dort dessen sprechenden Plastikfisch. Zusammen mit dem Fisch in einer Aldi-Tüte begibt sich Ella auf die Suche nach Luis. Was nun beginnt, ist ein regelrechtes 'Road-Movie', wobei Dortmund zwar nie verlassen, aber unterschiedlichste Szenen und Milieus aufgesucht werden... und der Fisch sich als Dialog-Partner bewährt. Es gibt Begegnungen mit unterschiedlichsten Menschen, mit Gewalt und Freundschaft. Und der letzte Satz gibt in wunderbarer Weise wieder, worum es in der Geschichte eigentlich geht: "... und ich verstehe, wenn man aufhört, auf der Welt zu sitzen wie auf einem Hühnerei, wird alles größer, gefährlicher und schöner" Ein Roman, der auffordert, Welterkundung zu betreiben; und die großen Entdeckungen erfordern nicht das Bereisen eines anderen Kontinents - der Nahbereich ist spannend genug. Auch eine Geschichte vom Erwachsenwerden, aber erfrischend anders als der übliche Coming-of-age-Kram!!! Leseempfehlung!