Fliegen und Loslassen will gelernt sein

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elke seifried Avatar

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Die Anwältin Gerit, sportlich, gute 40 Jahre und sehr auf ihr Äußeres bedacht, lebt seit der Trennung von ihrem Freund alleine. Sie geht jeden Morgen ins Fitnessstudio, redet mit ihrem Essen und verzichtet auf Fleisch. Sie besitzt kaum Familiensinn und lebt nach eigener Auskunft lieber allein als sich noch einmal auf einen Mann einzulassen. Die Journalistin Katja, die sie aus dem Fitnessstudio kennt und mittlerweile ihre Freundin ist, lädt sie zu einem Essen ein. Scheinbar haben Katja und ihr Mann Fred schon gelegentlich versucht Katja zu verkuppeln, indem sie auch mögliche Partner eingeladen haben. Dieses Mal möchte Katja Gerit überzeugen über sie, die erfolgreiche Anwältin, eine Homestory schreiben zu dürfen. Katja möchte Gerit als freundliche, hilfsbereite Frau mit Familiensinn präsentieren um das Bild einer menschlichen Richterin zu schaffen und damit den Weg zur Justizministerin für sie ebnen. Gerit lehnt dies aber strikt ab, was Katja aber nicht daran hindert ihr einen Fotografen auf den Hals zu hetzen. Leicht angetrunken lässt sie sich nachts nach Hause bringen und stolpert beim Treppenlaufen zu ihrer Wohnung über die obdachlose Frau namens Julia, die Gerit schon während der Woche morgens entdeckt hatte. Da sie sich beim Sturz den Fuß verstaucht hat, hilft ihr die Obdachlose in den Lift. Dies ist der Beginn der Story um die zwei scheinbar so gegensätzlichen Frauen, die mehr streiten als gut miteinander auszukommen, aber auch auf keinen Fall lieber getrennte Wege gehen möchten. Es stellt sich heraus, dass Sonja, früher erfolgreiche Modedesignerin, nach der Trennung von einem Filmproduzenten ihr Leben nicht mehr in den Griff bekam. Und genau dieser Mann verbindet die zwei Frauen. Denn Katja lebte mit diesem ominösen Simon, als Julia zeitgleich mit ihm eine Affäre hatte. Im Roman lernen sich die Frauen langsam immer besser kennen, fahren dann sogar auch gemeinsam nach Frankreich in den Urlaub, auch wenn sich dies eher aus einer Notsituation ergab. Mehr soll jedoch an dieser Stelle nicht verraten werden. Die Begegnung hat teilweise fast unglaublich großen Einfluss auf den Lebensstil beider Frauen. Gerit lernt wieder mehr loszulassen und auch wieder unüberlegte Dinge zu tun. In Sonja wird der Wunsch nach Glamour und gutem Leben, das sie ja gut kannte, noch einmal geweckt. Im Roman werden einige soziale Probleme wie Flaschensammeln um zu überleben oder Schlafplatzsuche angesprochen. Auch die Macht der Medien wird durch die vereitelte Stelle als Justizministerin zum Thema und man schreit als Leser fast danach, kläre das Missverständnis doch auf. Damit hat mich der Roman sehr angesprochen und auch bewegt. Auch der Bericht, wie die falsche oder enttäuschte Liebe zu einem Mann ein Leben eigentlich zerstören kann, ist sehr bewegend. Insgesamt hat mir das Buch gefallen, es gibt aber auch einige Szenen, die ich für sehr unwahrscheinlich halte z.B. die zufällige Statistenrolle oder einige Entscheidungen und Handlungen von Gerit. Dies empfand ich fast eine Spur zu sehr nach Idylle lechzend und zu sehr nach Happy End ringend. Der spritzige und flüssig lesbare Schreibstil sagte mir aber insgesamt zu. Es sind einige spitze Formulierungen, die zum Schmunzeln verleiten und deshalb lautet mein Gesamtfazit: Durchaus lesenswert.