Nach zähem Start wird's angstvoll und spannend

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Darum geht's:

Die Polizei kann dem raffinierten Drogenboss Andreis Kovač nicht beikommen. Nora Linde versucht wenigstens, ihn wegen Steuerverbrechen anzuklagen. Als seine junge Frau Mina schwer verprügelt ins Krankenhaus kommt, scheint die Chance gegeben, dass sie mehr über die illegalen Geschäfte ihres Mannes weiß und gegen ihn aussagt. Mina weiß, wie gefährlich es ist, sich gegen Andreis zu stellen und hat sowohl große Angst, gegen ihn auszusagen, als auch davor, mit ihrem kleinen Sohn Lukas wieder zu ihm zurückzukehren. Ein Mord in Kovačs Umfeld bringt auch Polizist Thomas mit auf den Plan.

So fand ich's:

In diesem Band werden sowohl Thomas als auch Nora in die Ermittlungen einbezogen und nutzen den privaten Informationsaustausch. Nora bestimmt allerdings gefühlt den größeren Teil der Handlung und Thomas agiert eher am Rand. Auch das Privatleben von Nora und Thomas spielt wie immer eine Rolle, doch unterm Strich ist da nicht viel Positives zu finden. Thomas und seine Frau Pernilla leben getrennt und können nicht wirklich miteinander reden. Nora hat ständig ein schlechtes Gewissen ihrer Tochter Julia gegenüber, weil sie zu wenig für sie da ist, die fast schon erwachsenen Söhne und Ehemann Jonas werden immer mal am Rande erwähnt.

Eingestreut sind bedrückende Sequenzen aus Andreis und Bruder Emirs Kindheit im Krieg in Bosnien und auch das Verhältnis von Andreis Stiefvater und Mutter zueinander erklären vielleicht einiges, rechtfertigen aber nichts.

Andreis verbreitet eine Aura von Gewalt und durchgeknallter Skrupellosigkeit um sich herum und das, was er als Kind in Bosnien erlebt hat, ist ebenfalls nicht ohne. Diese Schneise der Gewalt zieht sich durch das ganze Buch und ergänzt die beruflichen und privaten Verschlechterungen in Thomas' Leben und das ständig schlechte Gewissen Noras zu einem düsteren Gesamtbild. Für diese Schilderung von Minas Situation genauso wie für Noras und Thomas privaten und beruflichen Frust hat sich das Buch für meinen Geschmack zu viel Zeit gelassen. Es dauerte lange, bis die Handlung in Schwung kam und eine angstbesetzte Spannung einsetzte. Die fröhliche, sommerliche Urlaubsatmosphäre, die diese Reihe sonst immer auflockert, kam mir hier ebenfalls zu kurz. Allerdings hat mich die Spannung im letzten Drittel atemlos an den Seiten kleben lassen.

Was man sehr gut nachvollziehen kann ist Minas Sicht. Sie ist jung, zum ersten Mal verliebt und Andreis zieht alle Register. Er ist vermögend und trägt Mina auf Händen. Wie die beiden in eine Spirale aus Gewalt und Reue, Liebe und Angst hineinrutschen, und auch wieso Mina das so lange hinnimmt, wird überhaupt nicht entschuldigt, aber so nachvollziehbar erzählt, dass einem durchaus klar wird, wie es so weit kommen konnte und wieso Mina so viel Angst vor dem Absprung hat.

Dazu kommen einige interessante Nebenfiguren wie die Anwältin von Andreis, ein abgebrühtes Verteidiger-As, ein eiskalter Fisch, die alle Winkelzüge nutzt und bei der man sich - wie Minas Vater auch - fragt, wie sie das mit ihrem Gewissen vereinbaren kann. Minas Anwalt, ein korrekter und freundlicher älterer Herr, tut sich schwer, sich dagegen zu behaupten.

Die vielen kurzen Kapitel, Viveca Stens Art des Schreibens und die Erzählung aus der Sicht verschiedener Personen ließen mich das Buch nach anfänglich etwas zähem Einstieg dann doch flott und flüssig lesen. Mir fehlte ein fröhlicher Ausgleich zu den vielen tragischen und negativen Aspekten, den ich von dieser Serie eigentlich erwartet und erhofft habe. Doch die Spannung zum Schluss hin hat vieles wieder wett gemacht.