Wann war das Leben so deprimierend geworden?

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wienerin Avatar

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Ein beinahe alltägliche Geschichte versteckt sich hinter dem schönen Cover einer Schärenidylle.
Das Hauptthema des Buches ist allerdings meilenweit von einer Idylle entfernt. Viveca Sten behandelt in diesem Band ihrer Sandhamn-Serie die (leider) alltägliche Gewalt in Beziehungen.
Jährlich werden in Schweden zwölftausend Frauen von ihren Lebensgefährten misshandelt und zwischen dreißig und vierzig Frauen werden jedes Jahr von ihren Lebensgefährten umgebracht, das sind ein Drittel aller Morde, die in Schweden begangen werden. Die Zahlen in anderen Ländern werden wohl nicht so viel besser aussehen.
Im Zentrum der Geschichte steht Mina, die von ihrem Ehemann Andreis immer wieder brutal misshandelt wird. Gegen diesen Mann wird wegen eines Steuerbetruges auch von der Polizei ermittelt.
Die Geschichte spitzt sich zu, der Mann steht wegen der Ermittlungen unter immer größerem Druck, was sich in immer extremer werdenden Gewalttätigkeiten gegen Mina äußert, die schließlich mit der Polizei kooperiert und die Flucht ergreift. Verflochten mit der aktuellen Geschichte ist die Geschichte von Andreis, die Geschichte seiner Flucht aus dem Bosnien im Jahr 1993, das sich im Kriegszustand befunden hat und seiner damit verknüpften Traumatisierung, die wohl helfen soll, seine Brutalität zu erklären oder ein wenig nachvollziehen zu können.
Ich fand das Buch nicht schlecht, es ist einfach geschrieben und liest sich leicht. Wie bei vielen Reihen in diesem Genre wird auch das Leben der Polizisten Teil der Handlung und je mehr man sich in die Serie einliest, desto mehr hat man das Gefühl, diese Personen tatsächlich zu kennen.
Ein Krimi war das allerdings für mich nicht wirklich. Ein Thriller? Schon eher, vor allem im letzten Drittel.
Beklemmend - und wirklich sehr gelungen - fand ich vor allem die Kapitel, die sich mit Bosnien, dem Kriegsausbruch, den Kriegsgräueln und der Flucht aus dem Kriegsgebiet beschäftigt haben (Zitat: "Jemand muss der Welt erzählen, was sie uns angetan haben.").
Fazit: ein lesenswertes Buch für eine kleine Auszeit vom Alltag mit einer Portion Gesellschaftskritik.