Ist das Glück "flüchtig" oder kann man es festhalten?

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katma Avatar

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"Flüchtig" gibt viele Einblicke in viele unterschiedliche Leben.
Hauptprotagonisten sind jedoch Eva Maria Magdalena, eine 55igjährige Bankangestellte, die eine große Lücke in ihrem Leben durch Sport und gesunde Lebensweise zu schließen versucht und ihrem Ehemann Herwig, ein 60igjähriger Musiklehrer und Grasraucher, der sich in seine jüngere Kollegin verliebt. Als Maria von der Affaire ihres Mannes erfährt, bricht sie alle Brücken hinter sich ab und verlässt nicht nur ihren Mann sondern ihr gesamtes bisheriges Leben.

In Rückblicken wird die Geschichte der Beiden erzählt. Die Trennungsgeschichte von Maria und Wig bildet dabei nur den Rahmen der Geschichte; viele Randfiguren kommen zu Wort, die, obwohl sie "flüchtig" sind, doch eine Erinnerung hinterlassen.

„Flüchtig wie die angezupften Töne der Bouzouki waren die Begegnungen mit diesen Menschen. Dennoch hinterließ jeder von ihnen eine Melodie in meinem Herzen, die weiterschwingt.“

Gern hätte das Buch dafür einige Seiten mehr haben dürfen.

Mir gelang es sehr gut, mich sowohl in Maria als auch in Herwig hineinzuversetzen. Beide Charaktere werden tiefgründig beleuchtet. Und die kleinen Geschichten in der Geschichte ließen mich die Personen besser verstehen.

Maria ist auf der Flucht - vor sich selbst, vor ihrer Vergangenheit und auch vor ihrer Zukunft.

„Immer noch war jemand da, der sie nicht losließ… jene Seele, die sie vor dreißig Jahren kurze Zeit unter ihrem Herzen getragen hat.“

Sie und ihr Mann haben sich auseinander gelebt. Was passiert mit 2 Menschen während ein langen Ehe? Was wird aus all der Liebe und der Sehnsucht, wenn man in die Jahre kommt? Ist die "Flucht" Marias, die über verschiedene Zwischenstationen in Griechenland landet, eine Lösung?

Achleitner gelingt es auf geschickte Art und Weise, tiefsinnige Betrachtungen über Gott und die Welt in seine Literatur einfließen zu lassen. Dabei wird es auch mal politisch, manchmal philosophisch, ab und zu erotisch. Auch Musik spielt immer wieder eine Rolle. Einige Male habe ich die Lieder sogar gegoogelt und den Roman dann zu den genannten Klängen weitergelesen. Man merkt dem Roman deutlich an, dass ein wortgewandter, lebenserfahrener Mann seine Gedanken schweifen lässt.

In seiner Gesamtheit ist ihm ein warmherziger, kluger, taktvoller Roman gelungen. Ein Buch, das durch seine charmante, bildhafte Sprache hervorsticht. Eines zum Wiederlesen.

Schönstes Zitat:
„Doch wie viel Erfüllung vertragen wir? Was passiert, wenn wir übergehen vor Glück? Musste es nicht auch unerfüllte Tage geben? War eine schattenlose Welt nicht genauso schlimm wie eine ohne Licht? Braucht unser Leben nicht beides? Ist es nicht unsere Bestimmung, um das Licht zu tanzen wie die Erde um die Sonne? Und ihm immer wieder den Rücken zuzuwenden?“ (S134)